I. Die Zeit vor 1945
Eine organisierte sozialdemokratische Partei läßt sich in Medebach für die Zeit bis zum Ende des II. Weltkrieges nicht nachweisen. Die erste Nachricht über die Gründung eines Ortsvereins ist auf den September 1946 zu datieren.
Das heißt aber nicht, daß in Medebach und den zu seinem Amt gehörenden Dörfern überhaupt kein Bürger mit Sympathien für die Sozialdemokratie gelebt hätte. Bei den Reichstagswahlen am 6. 11. 1932 erhielt die SPD in der Stadt 19 Stimmen, in den Dörfern (mit Ausnahme von Berge, Dreislar, Düdinghausen und Medelon) immerhin noch 14 Stimmen, davon allein in Titmaringhausen 7. Damit lag die SPD allerdings noch weit hinter der Kommunistischen Partei, die in Medebach 56 Stimmen, in Oberschledorn, Düdinghausen und Küstelberg weitere 28 Stimmen für sich verbuchen konnte(1).Wie gering der Stimmenanteil der SPD war, zeigt der prozentuale Anteil an den abgegebenen Stimmen: ganze 1,35% gegenüber 3,45% für die Kommunisten. Sieger dieser Wahl war, wie im agrarischen, durchweg katholischen Sauerland nicht anders zu erwarten, das Zentrum mit 70,68% (im Reichsgebiet 11,9%), während die Nationalsozialisten bereits auf 10,68% (im Reichsgebiet 33,1%) kamen.
In schlechten Zeiten hoffen die Bürger auf Wunder. Sie glauben den unseriösen Versprechungen radikaler Verführer mehr als vernünftigen Überlegungen. Schon vier Monate später, am 5. März 1933, wählten 43,9% der Deutschen die Nationalsozialisten, nur noch 18,3% die SPD und 10,9% das Zentrum. Auch die konservativ-katholische Bevölkerung Medebachs widerstand den Radikalen nicht. Konnte die NSDAP im Reichsgebiet ihren Stimmenanteil um knapp ein Drittel steigern, so in Medebach sogar fast um das Dreifache - hier kam sie auf 29,7%. Das Zentrum rutschte auf 59,7%, immerhin noch mehr als die absolute Mehrheit der im Amt Medebach abgegebenen Stimmen. Zu den Sozial-demokraten hielten noch ganze 25 Wähler (0,9%). Ähnlich fiel das Ergebnis bei der Kommunalwahl für die Stadtverordnetenversammlung aus: Zentrum 26,16%, NSDAP 24,9%, Vereinigte Bürgerliste 22,34%, Christliche Arbeiter 17,69% und Kriegsopfer 8,89%(2).
Nicht allein die mit dem "Schwarzen Freitag" 1929 beginnende wirtschaftliche Krise verhalf den Extremisten von rechts und links, Nationalsozialisten und Kommunisten, zu einer negativen Mehrheit im Reichstag, die die demokratischen Parteien der Mitte wie Zentrum und SPD zerrieb. Die katastrophale Lage zeigt sich schon in den Arbeitslosenzahlen: im September 1929 traf die Arbeitslosigkeit 1,3 Millionen der Beschäftigten, stieg 1930 auf 3 Millionen und 1931 auf 4,35 Millionen. Im Winter 1932/33 überschritt diese Zahl die Marke von 6 Millionen! Das reicht zur Erklärung des Erfolges der extremen Rechten und Linken jedoch nicht aus. Noch 1923/24, in einer ähnlichen Situation angesichts der horrenden Inflation, gelang es unter dem Reichspräsidenten Ebert(SPD), die Demokratie vor ihren radikalen Feinden zu bewahren. England und Amerika, von den Folgen der Weltwirtschaftskrise nach 1929 nicht weniger als Deutschland betroffen, verfielen nicht den radikalen Parolen. Roosevelt mit seiner Politik des "New Deal" gelang die Reform der Demokratie und die Überwindung der wirtschaftlichen Krise. Die Depression ist nicht die Ursache für die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gewesen, sie hat vielmehr lediglich die antidemokratische Einstellung der in obrigkeitsstaatlichem Denken erzogenen Deutschen, die von politischer Selbstverantwortung bis 1918 ferngehalten worden waren, so weit verschärft, daß Hitler Erfolg haben konnte(3).
Bis zum I. Weltkrieg waren die SPD und die zahlenmäßig unbedeutenden(4) zersplitterten Linksliberalen die einzigen demokratischen Parteien gewesen, mit Abstrichen teilweise noch das Zentrum, dieses jedoch eher aus Opposition(5) gegen die protestantische und autoritäre, seit Bismarcks Kulturkampf den Katholizismus benachteiligende preußische Reichsregierung. Im demokratischen, als von den Siegermächten aufgezwungen empfundenen System, wollten die Menschen keine Hoffnung sehen. Eine starke autoritäre Führung, wie sie sie im Kaiserreich gewohnt gewesen waren, schien ihnen angemessener als der Widerstreit zwischen den Parteien um den richtigen Weg. Für die vernünftige Abwägung war wegen der fehlenden demokratischen Erfahrung in den Köpfen der meisten Menschen kein Raum. Hitler gelang die "Machtübernahme" um so leichter, als auch die führenden Köpfe und Politiker führungsgläubig und in ihrer überwiegenden Mehrheit, wie der unfreiwillige Steigbügelhalter Hitlers von Papen, antidemokratisch eingestellt waren.
Das Fehlen jeglicher demokratischer Tradition der Deutschen war die eigentliche Ursache dafür, daß sie sich der Diktatur auslieferten. Die Liberalen Deutschlands, die noch im März 1848 eine demokratische Revolution versucht hatten, machten ihren Frieden mit dem preußischen Obrigkeitsstaat, als er 1871 die deutsche Einheit bescherte und Bismarck ihnen als Gegenleistung für ihre politische Abstinenz den wirtschaftlichen Aufschwung gewährte. Damit war die eine Wurzel der Demokratie westlicher Prägung verdorrt. Erst allmählich entwickelte sich ein Ersatz im Sozialismus, der jedoch aus sozialem Elend und damit nicht unmittelbar aus freiheitlich-demokratischem Denken kam. In einem mühsamen Prozeß spaltete er sich in die Berufsrevolutionäre mit Kaderpartei, den späteren Kommunismus, und die reformerische, die Demokratie anstrebende Sozialdemokratische Partei. Trotz brutaler Unterdrückung im Kaiserreich und Verteufelung als "vaterlandslose Gesellen" stellte die SPD die einzige organisatorische Basis für eine künftige Demokratie dar, eine Basis, die der schwache intellektuelle Liberalismus nicht besaß.
Aber die Diffamierung der Sozialdemokratie im Kaiserreich hatte sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Sie fürchteten sie wegen ihres - freilich schon mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 aufgegebenen - Internationalismus und des längst vorher verworfenen Zieles einer Revolution. Zudem wollten viele mit den aus der Unterschicht hervorgetretenen Proletariern nichts gemein haben. Leider dachten auch viele führende Sozialdemokraten, vor allem Ebert, ebenso, verbündeten sich nach 1918 mit dem Militär gegen die demokratische Revolution und verhalfen auf diese Weise ihren innerdeutschen Feinden zum Sieg(6). So in zweierlei Hinsicht geschwächt, vermochte die SPD die "Machtergreifung" nicht zu verhindern. Dennoch hat sie am 24. 3. 1933 als einzige Partei im Reichstag dem Ermächtigungsgesetz für Hitler die Zustimmung verweigert(7), das der Weimarer Demokratie den endgültigen Todesstoß versetzte
Mancher sieht heutzutage Parallelen zu Weimar und seinem Ende. Der Extremismus der Republikaner und sonstigen Rechtsradikalen bedroht die Demokratie. Rechte Politiker geben dieser Stimmung nach. Ein deutscher Verfassungsschutzminister gar empfahl auf einem Parteitag in Nürnberg(!), das Risiko eines Verfassungsbruchs zu wagen(8).
Aber die Geschichte wiederholt sich nicht. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der Welt und in Deutschland nach der Einigung ist die Lage nicht vergleichbar. Es geht den Deutschen heute trotz allem ungleich besser als 1929. Entscheidend aber ist: Deutschland hat in seinen alten Bundesländern inzwischen Erfahrung mit der Demokratie gemacht. Sie ist in den Köpfen der Menschen nach fast fünfzig Jahren zwar sicher noch nicht so gefestigt wie in angelsächsischen Ländern mit jahrhundertelanger demokratischer Übung. Aber die Erfahrung mit ihr dürfte doch ausreichen, solche antidemokratischen Bestrebungen wie die besagten Innenministers zurückzuweisen.
Freilich: so ganz scheinen manche das Prinzip der Demokratie noch nicht begriffen zu haben. Selbst einem Medebacher Bürgermeister wird nachgesagt, er halte Andersdenkende lediglich für Verirrte. Bei richtigem Nachdenken könne man keine andere Partei als die seine wählen. Aber als Demokrat müsse man solche Verirrung hinnehmen. Der Gedanke, man könne wohlbegründet eine andere Meinung haben, er selbst könne sich auch irren, scheint doch etwas schwierig. Solches Mißverständnis hat schon Adolf Arndt vor Jahrzehnten charakterisiert: "Die Unmenschlichkeit bricht aus, sobald im Vorletzten, wie es jeder politischen Partei als Ort gebührt, eine letzte Wahrheit vom Menschen zum Maßstab für mitmenschliche Gemeinschaft erhoben wird"(9). Theodor Fontane läßt es den Dubslav im "Stechlin" für jeden verständlich sagen: "Unanfechtbare Wahrheiten gibt es überhaupt nicht, und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig".
Der von Grosche(10) als "streng konservativ" geschilderte "Volkscharakter der Bewohner" Medebachs begünstigt trotz demokratischer Erfahrungen nach dem II. Weltkrieg nicht gerade die Sozialdemokraten. Das gilt erst recht für die früheren Zeiten. Grosche wird wohl recht haben. Die Lebensbedingungen in einer kargen Bergregion, vom Verkehr seit Ende der Hanse weitgehend abgeschnitten, waren (und sind?) nicht dazu angetan, die konservative Grundeinstellung zu revidieren. Seit dem Mittelalter wurde hier im wesentlichen extensive Landwirtschaft betrieben. Daneben gab es nur in geringem Maße Handwerk und Heimarbeit; zum Leben reichte das nicht aus. Erst Ende des vorigen Jahrhunderts wurden industrielle Arbeitsplätze durch die Strumpffabrik Ewers geschaffen, vorwiegend für Frauen. So blieb vielen Bewohnern Medebachs wie des übrigen Sauerlands nichts anderes übrig, als ins Ruhrgebiet zu ziehen oder gar auszuwandern(11). Die stürmische wirtschaftliche Entwicklung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, vor allem in dessen zweiter Hälfte, ging an den ländlichen Regionen in ganz Deutschland vorbei. Gegenüber den Industrieregionen fielen die Agrargebiete weit zurück. Das zeigt sich vor allem an der Bevölkerungsentwicklung. In Westfalen stieg die Einwohnerzahl allein von 1875 bis 1910 um mehr als das Doppelte. Medebach (ohne die Ortschaften) hatte im Jahre 1818 mit 1936 Einwohnern mehr als Meschede, war bis zur Jahrhundertmitte aber nur um etwa 400 Einwohner gewachsen. Selbst im Jahre 1951 zählte es nicht mehr, rechnet man die Ausgebombten, Evakuierten und Vertriebenen nicht mit(12).
Unter diesen Umständen erscheint es nur zu verständlich, daß die daheimgebliebene Bevölkerung um so mehr zusammenhielt, allerdings mit der notwendigen Folge, allem Fremden gegenüber noch mißtrauischer zu werden. Der Sozialdemokratie, schon wegen ihrer Herkunft aus dem Industrieproletariat nicht vertraut, als Umstürzlerin hergebrachter Ordnung des Obrigkeitsstaates und kirchlicher Hierarchie verdächtig, mußte es schwerfallen, in solcher Umgebung Fuß zu fassen. Nicht verwundern kann daher, daß sie bis zum Ende des II. Weltkrieges im Raum Medebach nur wenige Sympathisanten gewinnen konnte. Die "soziale Revolution" des Nationalsozialismus hatte die Menschen entwurzelt und verunsichert. Der verlorene Krieg(13) hatte zum Einbruch der Evakuierten, Ausgebombten und Ostvertriebenen geführt. Mit ihnen mußten sich auch die Medebacher auseinandersetzen. Nach dem Zusammenbruch der überkommenen Ordnung, der Notwendigkeit eines Neuanfangs wurde es erstmals möglich, auch in Medebach Sozialdemokratie als Partei zu organisieren. War doch sozialdemokratisches Gedankengut inzwischen auch bei Konservativen und dem früheren Zentrum plötzlich anerkannt.
II. Nach dem II. Weltkrieg
1. Politischer Neubeginn
Man kann es sich heute, im Jahre 1994, kaum noch vorstellen. Aber nach dem Ende des letzten Krieges, nach den Schrecken der Gefangenschaft, insbesondere der in Rußland, nach der Vertreibung von neun Millionen Ostdeutschen aus Pommern, Schlesien und Ostpreußen, nach den Bombennächten in den Städten, nach Erkenntnis der deutschen Verbrechen waren die meisten Deutschen in den Jahren 1945/46 völlig verunsichert. Viele suchten, soweit sie sich überhaupt noch für Politk interessierten, eher die Nähe zu sozialdemokratischen Gedankengängen. Manche gingen noch viel weiter: ein nicht unbekannter Sauerländer etwa wurde zunächst Kommunist, zog aber später für die CDU in den Bundestag.
Schon 1945 formierten sich in den einzelnen Zonen die ehemaligen Konservativen und das Zentrum zur Christlich-Demokratischen Union, die in der britischen Zone im Juli 1945 in Köln ihre ersten Leitsätze festlegte. Aus ihnen ging das Ahlener Wirtschaftsprogramm der CDU für die britische Zone vom Februar 1947 hervor, das Adenauer auf dem Parteitag vom 14./15.8.1947 als einen "Markstein in der Geschichte des deutschen Wirtschafts und Soziallebens" bezeichnete. Es lohnt sich, dieses Programm näher zu betrachten, denn dann wird vielleicht manchem erst verständlich, wie die Katatstrophe von 1945 auf die Gemüter der Menschen im Lande gewirkt hat, weshalb man deshalb mit dem bisherigen "kapitalistischen Wirtschaftssystem", das "den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden"(14) sei, aufräumen wollte. "Ziel aller Wirtschaft ist die Bedarfsdeckung des Volkes", heißt es in der Einleitung des Ahlener Programms. Auch in normalen Zeiten werde Planung und Lenkung der Wirtschaft daher notwendig sein, allerdings nicht als Selbstzweck (wie im Kommunismus), sondern eben zur Bedarfsdeckung im Rahmen einer wirtschaftlichen Selbstverwaltung unter gleichberechtigter Teilnahme der Arbeitnehmer, Konsumenten und Unternehmer. Sozialdemokratische Vorstellungen sind hier unverkennbar(15).
Ungleich schwieriger als für die Konservativen, Konfessionellen und Liberalen gestaltete sich für die Sozialdemokraten der Neuaufbau einer Parteiorganisation nach dem Krieg. Nicht nur waren ihre überlieferten Strukturen von den Nazis radikal zerschlagen worden, vor allem waren ihre ehemals führenden Persönlichkeiten großenteils entweder der Hitlerdiktatur zum Opfer gefallen oder in die Emigration zerstreut. Parteigründungen durften zunächst auch nur jeweils für die einzelnen Besatzungszonen erfolgen. Die erste Gründung der SPD erfolgte im Juni 1945 in Berlin. Sogleich setzte in der sowjetischen Besatzungszone der von der Besatzungsmacht initiierte und geförderte Versuch einer Vereinigung mit den Kommunisten ein. Dem trat Kurt Schumacher sofort energisch entgegen und verhinderte eine derartige Vereinigung in der britischen und amerikanischen Zone mit überwältigender Zustimmung der Parteimitglieder.
2. Medebach nach dem Krieg
Die "soziale Revolution"(16) als Folge des Dritten Reiches war zwar auch an Medebach nicht spurlos vorübergegangen. Dennoch hat sie sich hier nicht so spürbar ausgewirkt wie in den städtischen Bereichen. Das hängt einmal mit dem Bekenntnis zur katholischen Religion zusammen, das trotz allen Mitläufertums weitgehend überkommene Wertvorstellungen erhielt, die lediglich teilweise durch braune Flecken übertüncht worden waren. Zum anderen vermochte die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung, noch dazu in ihrer vom Verkehr nicht begünstigten bergigen Randlage, die überkommenen Sozialstrukturen und Wirtschaftsweisen anders als in den Großstädten beizubehalten. Die offizielle Ideologie des Nationalsozialismus mit ihrer Hervorhebung des Bauernstandes förderte diese Einstellung sogar noch.
Auch unter dem Krieg hat Medebach nicht annähernd so gelitten wie die Städte(17). Man braucht sich nur den Anblick der Ruhrgebietsstädte, Hamburgs oder Berlins in Erinnerung zu rufen oder auf Bildern bzw. in Filmen nachzuvollziehen, wo mancherorts bis zu 90% der Häuser zerstört waren. Medebach hat davon kaum etwas mitbekommen. Der Trümmerfrauen bedurfte man hier nicht. Ganze zwei Bomben haben Medebach getroffen(18). Den Krieg hat die Medebacher Bevölkerung vor allem als Zeit der Mangelwirtschaft erlebt. Und wie überall in Deutschland waren die Männer eingezogen worden, von denen etwa 140 fielen, viele in Gefangenschaft gerieten und erst spät nach Hause zurückkehrten, die aus russischer Gefangenschaft in einem erbarmungswürdigen Zustand.
Während des Krieges waren auch in Medebach Kriegsgefangene aus Frankreich, Rußland und Polen zur Arbeit eingesetzt. Während nach Kriegsende die Franzosen, mit denen teilweise freundschaftliche Beziehungen aufgebaut worden waren, Medebach schnell verließen, mußten für die Russen zunächst drei Lager, für die Polen ein Lager eingerichtet werden. Darunter litt die Bevölkerung, weil es durch Lagerinsassen zu Plünderungen, Feld- und Viehdiebstählen kam. Opfer wurde vor allem der Pfarrer Daub, der in seinem Haus am Schloßberg von Russen in der Nacht vom 15. zum 16. Juni 45 überfallen und erschossen wurde. Ende Juli allerdings verließen Russen und Polen ebenfalls Medebach.
Am 29.3.45, Gründonnerstag, rückten vormittags amerikanische Truppen in Medebach ein. Nach letzten Gefechten am Ostersonntag war Medebach endgültig befreit. Bis zum Sommer 1945, als die Besatzungstruppen abrückten (am 5. Juni 45 wurde Medebach von den Amerikanern an die Engländer übergeben, die ihrerseits schon am 26. Juli 45 wieder abzogen), waren zahlreiche Häuser durch die Besatzung requiriert worden. Deren Bewohner, ob Einheimische oder Evakuierte, kamen ohne großes Murren in anderen Häusern unter.
Vergleicht man diese Erfahrungen der Medebacher mit denen der Städter oder gar der Millionen aus dem Osten, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nur mit einem Koffer oder Rucksack im Westen ankamen(19), kann man nur von einem gnädigen Schicksal sprechen. Die bittersten Erfahrungen mit einem Weltkrieg blieben Medebach erspart, Sozialstruktur und konservatives Denken überdauerten deswegen im wesentlichen. Die Neigung, Konsequenzen - auch in der politischen Einstellung - zu ziehen, blieb daher auch gering.
Von Politik wollte man sowieso nicht mehr viel wissen, nachdem man sich durch die nationalsozialistische Propaganda lediglich betrogen sah. Wie auch weithin im übrigen Sauerland hatte man ganz andere Sorgen, sich nämlich wirtschaftlich über Wasser zu halten, mit den Problemen des Zustroms der Vertriebenen, ihrer Unterbringung und der Arbeitsbeschaffung fertig zu werden, die Felder zu bestellen und trotz fehlenden Kunstdüngers ausreichende Ernten zu erzielen.
Nach Abzug der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter fehlte in der Landwirtschaft eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften. Die evakuierten Städter und Flüchtlinge waren für diesen Einsatz nicht immer geeignet. Industrie fehlte bis auf die Textilfabrikation Ewers und die Schmidtsche Fabrik völlig. Ende Oktober 1947 mußte die Amtsvertretung sogar gegen die beabsichtigte Demontage der Firma Schmidt protestieren, weil die dortigen 50 Arbeitsplätze verloren zu gehen drohten. Nach den vielen Sammlungen für das "Winterhilfswerk" und die NS-Volkswohlfahrt fehlten Kleidung und Schuhwerk. Kohle für den kommenden Winter war nur ungenügend vorhanden, man war auf Holz aus den Wäldern angewiesen. Zudem unterlagen die Bauern der Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Versorgung der Gesamtbevölkerung, sie erhielten aber damals, 1945, für ein Kalb nur etwa 25,- bis 30,- Reichsmark, während die private Kaninchenzucht einen Boom erlebte und ein Kaninchen auch schon mal 100,- RM einbringen konnte(20). Gleichzeitig nahmen die Wildschäden durch das nicht mehr ausreichend bejagte Rot- und Schwarzwild überhand, die Jagdhoheit lag bei den Engländern, deutsche Jäger konnten mit entgegen der Anordnung nicht abgelieferten Waffen allenfalls noch wildern gehen (was nicht so selten vorkam!).
Dennoch waren zu dieser Zeit die Bauern noch am besten versorgt. Sie erhielten nicht, wie alle anderen, Lebensmittelkarten mit unzureichenden Zuteilungen, sondern galten als "Selbstversorger". Dann kam es natürlich auch vor, daß man ungenehmigt selbst schlachtete, obwohl auf "Schwarzschlachten" hohe Strafen standen. Und wie überall fanden sich auch Denunzianten, so daß man noch heute einige Familienfeindschaften auf solche Ursprünge zurückverfolgen kann. Noch 1955 kam es wegen angeblichen Denunzierens durch das SPD-Mitglied Kempa zu einer heftigen Auseinandersetzung innerhalb des Ortsvereins. Dazu später mehr (siehe V. 2.).
Ein Ärgernis für Militärregierung und deutsche Behörden stellten Schwarzhändler und Hamsterer dar. Im Tauschhandel konnten gerade die Bauern hier gute Geschäfte machen. Der behördliche Ärger hierüber war zwar verständlich, weil so Ablieferungs- und Verteilungsmechanismen unterlaufen wurden. Aber wer will es den Menschen, die schließlich auch in den Städten überleben und ihre Familien ernähren mußten, verdenken, wenn sie notgedrungen zum "Organisieren", Schwarzhandel und Hamstern aufbrachen und teilweise in überfüllten Zügen wochenlang auf große Entfernungen in alle Teile Deutschlands, auch über die "grüne Grenze" in die Sowjetzone, fuhren, um Socken, Mäntel und vor allem Zigaretten (man sprach damals von der Zigarettenwährung) gegen Lebensmittel einzutauschen. Ob ohne den Schwarzhandel die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen gewesen wäre, kann füglich bezweifelt werden(21).
Daher noch einmal: für Politik interessierte man sich damals in Medebach nicht sehr. Auf lokaler politischer Ebene stellten sich häufig, so auch in Medebach, Personen in den Vordergrund, die den Nazis besonders laut Beifall geklatscht hatten und nun behaupteten, sie seien schon immer dagegen gewesen. Viele von ihnen, so beklagte man sich kurz nach dem Krieg, seien als Schieber und Drückeberger bekannt gewesen, hätten auf unlautere Art ihre "Unabkömmlichkeit" erreicht, wollten sich nun aber wieder in den Vordergrund spielen und scheuten zur Verfolgung ihrer Ziele auch nicht vor Verdächtigungen ihrer Mitbürger zurück.
Ende 1945 fand die Gründungsversammlung der CDU statt, erste Gründung einer Partei nach dem Krieg in Medebach. Ein Bericht darüber lautet: Besuch mäßig; Resultat: etliche Privatklagen wegen Beleidigung. Ob dieser Bericht objektiv oder aus politischer Gegnerschaft eines Anhängers des alten Zentrums gefärbt ist, läßt sich nicht mehr leicht nachvollziehen. Wahrscheinlich wird letzteres eher zutreffen. Denn nach dieser Darstellung soll die Bevölkerung die damaligen Gründer der Medebacher CDU als oben beschriebene Drückeberger angesehen haben. Die einheimischen Medebacher hätten damals mehrheitlich aber keine CDU gewollt. Wenn überhaupt wieder eine Partei, so sollte dies das Zentrum sein. Das war katholisch und von früher her vertraut, Evangelische, Deutschnationale u.ä. hätten nicht dazugehört. Man wäre unter sich gewesen und hätte untereinander ausmachen können, wer in der Stadt etwas zu sagen haben sollte(22).
Aus demselben Grunde war ein großer Teil der Einheimischen auch noch jahrelang gegen das System der Reserveliste bei Wahlen. Kamen doch auf diese Weise Vertreter in die Gemeindeparlamente, die bei bloßer Mehrheitswahl nie eine Chance gehabt hätten. Dem gesellte sich noch die Furcht vor dem Bolschewismus als Weltgefahr hinzu, die ein Wiederaufflammen des Krieges, nun an der Seite der Westalliierten, möglich erscheinen ließ. Dazu trug die Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart am 6. September 1946 nicht unerheblich bei. Der Kommunismus war aus dem Sozialismus entstanden. Die Furcht übertrug sich daher bis zu einem gewissen Grade auf alle linken, sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Man mißtraute ihnen, weil man in Medebach wie anderswo "links" als mindestens nah dem Kommunismus sah und den demokratischen Sozialismus, wie er sich in der strikten Ablehnung der kommunistischen Einheitsbestrebungen zeigte, nicht zur Kenntnis nahm. Die alten Vorurteile haben, wenn auch allmählich schwächer werdend, aus dem vorigen Jahrhundert bis heute überdauert. Es bleibt zu hoffen, daß sie nach dem Auseinanderfall der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges endlich überwunden werden.
Diese Ausgangslage war für die Gründung eines Ortsvereins der SPD (bis Anfang der 70er Jahre "Ortsgruppe" genannt) in Medebach nicht gerade förderlich. Möglich wurde die Gründung nur, weil auch in Medebach die Bevölkerung nicht mehr die Homogenität der früheren Jahre aufwies. Die Ausgebombten und Evakuierten aus den Großstädten und der Zustrom der Flüchtlinge und Vertriebenen, von der einheimischen Bevölkerung bald als schwere Last empfunden, führte dazu, daß Ende 1945 fast die Hälfte der Medebacher Bevölkerung von auswärts stammte. Noch im Jahre 1951 stellten sie ein Drittel der Einwohnerschaft(23).
IV. Kommunalpolitik nach der Befreiung 1945
Tatsächlich scheint die SPD bei der ersten Kommunalwahl vom 15. September 1946 noch keinen Erfolg gehabt zu haben. Vor dieser Wahl gehörte der Amtsvertretung als ernanntes Mitglied (von insgesamt 20 "Amtsältesten") Ludwig Hunold von der SPD an. In einer Liste der Stadtverwaltung Medebach, herausgegeben 1991, werden als SPD-Mitglieder der Amtsvertretung ab 15.9.46 Erwin Blenkle, Erich Hanke und Wilhelm Schüngel aufgeführt, während für die Stadtvertretung kein SPD-Mitglied genannt ist. In einer anderen, zur selben Zeit von der Stadtverwaltung übergebenen Liste findet sich unter den vollzählig aufgeführten Mitgliedern der Amtsvertretung von 1946 - 48 jedoch kein SPD-Mitglied. Auch in den Sitzungsniederschriften der Amtsvertretung aus dieser Zeit bis 1948 ist ein SPD-Mitglied nicht als Amtsvertreter aufgeführt. Wir gehen davon aus, daß tatsächlich erst auf Grund der Kommunalwahl vom 17.10.48 SPD-Mitglieder sowohl in die Amts- wie in die Stadtvertretung eingezogen sind, und zwar Blenkle, Hanke und Schüngel in die Amtsvertretung, Hanke und Knipp in die Stadtvertretung. Die CDU stellte ab 1948 acht Mitglieder in der Amtsvertretung, zwei das Zentrum. In der Stadtvertretung war das Gewicht der CDU größer: von den 14 Mitgliedern stellte sie zehn, das Zentrum wie die SPD zwei. Knipp schied übrigens schon im September 1950 wegen Wegzugs in seine Heimatstadt Düsseldorf wieder aus, an seine Stelle trat ab 26.10.50 Wilhelm Schüngel.
Welche Probleme es für Amts- und Stadtvertretung Ende der vierziger Jahre und, trotz langsamer Normalisierung, auch in den fünfziger Jahren zu lösen galt, ergibt sich schon aus einer Betrachtung der Lage in Medebach kurz nach dem Krieg. Besondere Auseinandersetzungen wurden offenbar um die Frage der Unterbringung der Neuankömmlinge aus den Städten und dem deutschen Osten geführt. Im Dezember 1947 wählte die Stadtvertretung sehr zum Ärger des Amtsdirektors und gegen seinen Widerspruch einen Überwachungsausschuß für das Wohnungsamt. Das geschah einstimmig mit dem Ziel, jeden Samstagnachmittag vom Wohnungs- und Flüchtlingsamt der Amtsverwaltung alle Beschlüsse und den Schriftwechsel aus der vorhergehenden Woche vorgelegt zu erhalten. Die Amtsvertretung allerdings, in deren Kompetenz die Kontrolle der Verwaltung fiel, lehnte einen gleichen Antrag auf Einrichtung eines derartigen Überwachungsausschusses ab(24). Obwohl es sich bei Wohnungsfragen um Aufsichtsangelegenheiten handelte, verlangte die Stadtvertretung eigene Entscheidungskompetenz, vor allem im Hinblick auf Zuzugsgenehmigungen nach Medebach. Sie wurden oft mit Bedürfnisprüfungen, etwa bei der Einrichtung neuer Geschäfte und Betriebe verbunden. So wurde mal eine Tankstelle genehmigt, mal ein Friseur- oder Schmuckgeschäft nicht.
Damals beklagte man sich, wie heute bei Aussiedlern und Asylanten, über die Zahl der Zugewiesenen, vor allem darüber, daß der Zustrom sich fortsetzte und nicht abzuschätzen war, wieviele Menschen endgültig nach Medebach kommen würden. Unter einem Teil der einheimischen Bevölkerung verbreitete sich in den ersten Jahren nach dem Krieg die Sorge, die Vertriebenen, die alles verloren hatten, könnten sich nach links radikalisieren und einen Nährboden für den Kommunismus abgeben. Dies war, wie sich herausgestellt hat, eine erhebliche Fehleinschätzung, hatten doch die Vertriebenen und Flüchtlinge die Folgen kommunistischer Politik am eigenen Leibe verspürt. Vermutlich war es mehr die Sorge, man müsse vom Eigenen zu viel den Landlosen abgeben, welche jenseits der Solidarität des gemeinsam verlorenen Krieges solches Mißtrauen verursachte. Und es waren auch nicht alle, sondern nur einige Gruppen der Einheimischen, die so dachten.
Andererseits resultierten gewisse Spannungen auch daraus, daß sich die Vertriebenen nicht nur in der Position von Bittstellern sehen wollten. Schließlich hatte ganz Deutschland den Krieg verloren. Es war nicht einzusehen, daß die daraus entstandenen Lasten nicht unter allen Deutschen gleich geteilt werden sollten. Die meisten waren nicht geflohen, sondern aus ihrer Heimat verjagt worden. Daher erschien ihnen die Bezeichnung als "Flüchtlinge" falsch und ungerecht. Verbitterung lösten Predigten wie die des Paderborner Erzbischofs (z.B. Ostern 1946 in Canstein) aus, in denen er vor einer Gefährdung des Glaubens und der heimischen Sitten durch die Fremden aus dem Osten warnte. Solche Äußerungen schienen schon deshalb unverständlich, weil die meisten Vertriebenen aus Schlesien stammten, einem nicht minder katholischen Land als Westfalen.
Einheimische wiederum hatten nicht selten Anlaß, sich über maßlose Aufschneiderei einzelner Vertriebener im Hinblick auf den Umfang ihres angeblich verlorenen Eigentums zu mokieren. Zwar gab es im Osten viele Großgrundbesitzer, aber nicht so viele, wie nun behauptet wurde.
In den Kommunalparlamenten standen Unterbringung und Versorgung dieser Menschen im Vordergrund. Hanke, ab Oktober 1948 Mitglied des Wohlfahrts-, des Wohnungs- und des Gemeindesiedlungsausschusses der Stadtvertretung Medebach, bemühte sich vor allem um eine ausreichende Unterbringung. So monierte er unterbelegte bzw. leerstehende Wohnungen, die dem Wohnungsamt entgangen waren, sorgte für bessere hygienische Verhältnisse (Wiederherstellung des Duschraums der katholischen Volksschule für die Benutzung durch Flüchtlinge, Bau von Toiletten an der Schützenhalle) und Arbeitsleistungen von Vertriebenen beim Aufbau von Baracken am Kahlen und an der Schützenhalle(25).
Damals beschäftigte man sich mit den Ernteschäden durch eine Regenperiode 1945, die Dürreperiode des Jahres 1947, die Schäden durch Schwarzwild. Schwierigkeiten bereitete die Brennstoffversorgung für den Winter, der Mangel an warmer Kleidung und gutem Schuhwerk, die Beschränkung des Stromverbrauchs in der ersten Zeit. Die Kleinbahn Steinhelle - Medebach hatte zwar in geringem Umfang im Sommer 1945 ihren Betrieb wieder aufgenommen, dennoch waren die Verkehrsverhältnisse katastrophal. Anfangs konnte man nur einmal am Tage, nämlich um 6 Uhr morgens, von hier nach Steinhelle kommen. Wer morgens an der Bahnstation, damals Bestwig, ankam, war nicht vor 20 Uhr in Medebach. Die Kreisstadt Brilon war kaum zu erreichen, Verbindungen nach Korbach gab es nicht, zumal auch die Grenze zwischen amerikanischer und britischer Zone dazwischenlag(26). Erst Anfang 1946 wurde eine Busverbindung nach Hallenberg eingerichtet. Der Kleinbahn fehlte es an Transportmitteln. Zeitweise fielen der Triebwagen und die letzte vorhandene Lokomotive aus. Ersatzweise setzte man einen stinkenden Lastwagen ein, der mit einem Aufbau und Holzbänken versehen wurde. Wegen des Gestanks weigerten sich einige Kinder mitzufahren. Viele Straßen und Wege waren noch nicht befestigt und durch viel Regen Anfang 1948 unterspült, so daß das Fahren auf ihnen recht beschwerlich war.
Angesichts der wenig erfreulichen Verkehrsverhältnisse und der Abgelegenheit Medebachs kann es nicht erstaunen, daß abgesehen von Ewers und Schmidt selbst kleinindustrielle Betriebe nur schwer zur Ansiedlung zu bewegen waren, ein Umstand, der sich bis heute noch nicht wesentlich geändert hat. Schon damals bemühte man sich darum zwar sehr, jedoch mit geringem Erfolg. Verhandelt wurde über die Niederlassung verschiedener Firmen wie Schuh- und Schloßfabriken und Hersteller von Maschinen für die Lebensmittelindustrie. Auch Kleider- und Wäschehersteller glaubte man im Jahre 1948 nach Medebach holen zu können(27). Im wesentlichen blieb es jedoch dabei, daß der Aufbau einer eigenen Molkerei gelang. Daneben gab es solche Kleinstbetriebe wie den von SPD-Mitglied Josef Schmitte, genannt "Klein-Krupp", der zusammen mit Petri umherliegende Kartuschen sammelte und aus ihnen Kupferteller herstellte. Der Mißerfolg bei der Industrieansiedlung kann nicht erstaunen, lag doch in der gesamten deutschen Industrie in den ersten Nachkriegsjahren der Produktionsstand weit unter der Produktionskapazität(28).Die Währungsreform vom 20. Juni 1948 änderte daran wenig. Auch in Medebach wurde sie von der Bevölkerung hoffnungsvoll begrüßt, man kritisierte aber das Fehlen eines sozialen Akzents.
Die Schulen waren zwar wieder geöffnet, schon im Sommer 45 begann der Unterricht für die ersten vier Jahrgänge, die weiteren und die Oberschule folgten bald darauf Anfang Oktober. Schwierigkeiten gab es gleichwohl, weil wegen der Entnazifizierung viele Lehrer wie Mitarbeiter der Amtsverwaltung ihre Stelle verloren. Anfang 1946 mußte die Oberschule wieder kurze Zeit geschlossen werden, weil nur noch eine einzige hauptamtlich beschäftigte Lehrkraft zur Verfügung stand. Erst Ende 1947 erhielt die evangelische Volksschule einen zweiten Lehrer, weil angesichts der vielen Flüchtlingskinder der einzige bisher vorhandene restlos überfordert war.
Dieselben Personalprobleme bestanden beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung. Belastete Bedienstete mußten gehen, an ihrer Stelle erfahrene Kräfte zu gewinnen, erwies sich als kaum möglich, zumal auch die Finanzen keinen großen Spielraum gewährten. Zudem stand die Amtsverwaltung wie in der ganzen britischen Zone vor dem Problem, mit der seit 1.2.1946 neu eingeführten Kommunalverfassung zurechtzukommen. Das bis dahin unbekannte britische System der Funktionstrennung zwischen Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung, bei dem die Ämter von Bürgermeister und Verwaltungschef nicht mehr von einer Person wahrgenommen wurden, mußte sich erst einspielen. Dies und die Umstellung auf demokratische Formen führte zu erheblichen Reibungsverlusten, wie man sie auch heute in den ostdeutschen Bundesländern erlebt. Stadt- und Amtsdirektoren wollten sich nicht mit der Beschneidung ihrer früheren Kompetenzen abfinden und fühlten sich, wie etwa der Briloner Verwaltungschef in einem Bericht von 1946 schrieb, zum Schreiber der kommunalen Vertretung degradiert.
Seit 1934 war Leiter der Verwaltung Amtsbürgermeister Dr. Beule gewesen. Nach der Befreiung 1945 übernahm zunächst kommissarisch Amtsgerichtsrat Wilhelm Wessing (Jahrgang 1881) die Leitung der Verwaltung, der 1946 - auf Anordnung der Militärverwaltung - kurze Zeit für die CDU in der Amtsvertretung und von 1952 bis 1956 (erneut für die CDU) in Amts- und Stadtvertretung saß. Ihm folgte im August 1945 Rudolf Rettig zunächst als Amtsbürgermeister, seit 18.2.46 als Amtsdirektor(29).
Auf die Einführung dieses britischen Systems dürfte es mindestens teilweise auch zurückzuführen sein, daß sich der Medebacher Amtsdirektor Rudolf Rettig nicht so recht mit den führenden Leuten der CDU vertrug(30). Diese stellte 1946 neben vier Unabhängigen und dem SPD-Mann Ludwig Hunold die übrigen fünfzehn Mitglieder in der Amtsvertretung und in der Stadtvertretung sämtliche dreizehn. Als die Wieder- bzw. Neuwahl des Amtsdirektors am 21.11.46 anstand, soll dem Amtsdirektor Rettig von der CDU-Spitze seine Wiederwahl als unumstritten dargestellt worden sein. Tatsächlich wurde jedoch nicht Wiederwahl sondern Ausschreibung beschlossen. Gewählt wurde dann am 14.5.47 der bisherige Stellvertreter Lorenz Emde, und zwar zunächst für ein Jahr auf Probe. Dieser blieb dann Amtsdirektor bis April 1958. Sein Nachfolger wurde ab 2.5.58 Hausmann.
V. Die Zeit ab 1948
1. Die ersten Jahre
Die Kommunalwahlen vom 17. 10. 1948 erbrachten für die CDU in der Amtsvertretung acht von dreizehn Sitzen, in der Stadtvertretung zehn von vierzehn Sitzen. Während die Wahl von Anton Schäfer (Gegenkandidat Albert Klüppel) zum Amtsbürgermeister problemlos über die Bühne ging - er wurde Nachfolger von Josef Ricken-Schlüters - verlief die Bürgermeisterwahl durch die Stadtvertretung etwas stürmisch. Josef Ricken von der CDU war seit 18.2.1946 Bürgermeister gewesen. Zwei Ratssitzungen mit mehreren ergebnislosen Wahlgängen, schließlich die Anrufung der Aufsichtsbehörde nach Rückzug eines Mitbewerbers um den Posten waren nötig, bis in der Sitzung vom 26.11.48 Albert Klüppel das Bürgermeisteramt übernehmen konnte (vgl. Anm. 22). Die SPD-Stadtvertreter Hanke und Knipp unterstützten in dieser Auseinandersetzung die Position Klüppels(31).
Mitglieder der Amtsvertretung wurden für die SPD:
Erich Blenkle, Erich Hanke, Wilhelm Schüngel.
Mitglieder der Stadtvertretung wurden für die SPD:
Erich Hanke, Gustav Knipp (bis Oktober 1950), Wilhelm Schüngel (ab Oktober 1950).
Die bekannten Lebensdaten von Blenkle, Hankel und Knipp sind bereits zuvor ( III ) mitgeteilt worden. Wilhelm Schüngel war Waldaufseher. Er wohnte Nordwall 32 und war 1950 bereits 65 Jahre alt. Verstorben ist er in Medebach, seiner Vaterstadt, am 29.8.59. Schüngel kam nicht ohne Vorerfahrung in die Vertretungen. Er war bereits Beigeordneter zu Zeiten des Amtsbürgermeisters Dr. Beule und damit dessen Vertreter gewesen. Deshalb wohl haben ihn die Engländer nach dem Krieg zunächst als Gefangenen mitgenommen(32), erst 1947 konnte er wieder nach Medebach zurückkehren.
Grosche(33) nennt als die Angelegenheiten, die die Stadtvertretung damals beschäftigten: "Unterbringung der zahlreichen Ostvertriebenen, Bau einer ausreichenden Wasserleitung, Ausbau der Straßen ..., Kanalisation, Schaffung von Bau- und Siedlungsgelände, Verschönerung des Stadtbilds, Einbetonierung des Medebachs". Die Probleme waren also noch dieselben geblieben. Und sie blieben dies, mit Abwandlungen, auch die nächsten Jahre bis weit in die Fünfziger hinein.
Eine entscheidende Rolle spielten die SPD-Mitglieder in den Amts- und Stadtvertretungen dieser Jahre nicht, schon gar nicht in den Ortschaften, wo die SPD bis zum Zusammenschluß aller Gemeinden des Amtes zur Stadt Medebach im Jahre 1969 nie einen Vertreter in die Gemeinderäte schicken konnte. Dort erzielte die CDU immer absolute Mehrheiten, 1952 z.B. in Titmaringhausen 100%, in Medelon 98,8%, in Deifeld 40%,4%. Am schlechtesten schnitt sie in Referinghausen mit 59,3% ab. Die SPD erzielte ihr bestes Ergebnis in Küstelberg mit 10,4%, lag ansonsten aber im allgemeinen nur zwischen 2 und 4%. Lediglich in der Stadt Medebach verfehlte 1952 die CDU die absolute Mehrheit mit 44,1%, die SPD kam dort auf immerhin 17,0%. Konkurrent der CDU war das Zentrum mit durchschnittlich je nach Ortschaft zwischen 10 und 36%, in der Stadt Medebach 32,8%. Daran hat sich bis in die 70er Jahre hinein wenig geändert. Lediglich das Zentrum ist allmählich von der CDU aufgesogen worden(34), es war bis zur Wahl 140%5, bei der es letztmals kandidierte, immer noch geringfügig besser im Rat vertreten als die SPD (fünf gegenüber vier Mandaten). Allerdings hat sich das Zentrum allmählich von einem konservativen Flügel der CDU zu einer Art Alternative für Protestwähler gegen die CDU entwickelt, denen der Sprung bis zur SPD zu weit war. Als das Zentrum schließlich 140%9 aufgab, konnte die SPD einen großen Teil seiner Wähler gewinnen.
Bei solchen Bedingungen kann es nicht verwundern, daß die Vertreter der Sozialdemokratie bis heute zur Oppositionsrolle verurteilt sind. Andererseits sind sie, einmal in Amts- oder Stadtvertretung gewählt, bis in die 80er Jahre hinein nicht so sehr als "Opposition" gesehen worden. Auch die Vertreter der mit absoluter Mehrheit ausgestatteten CDU verstanden sich nicht als "Regierungspartei". Parteipolitische Kontroversen gab es nur wenige, gesprochen und abgestimmt wurde in allen Rathausparteien zur Sache und quer durch die Fraktionen. Das gab dem einzelnen Amts- bzw. Stadtvertreter ohne Rücksicht auf seine Parteimitgliedschaft im allgemeinen größere Freiheit, die politische Polarisierungen weitgehend vermied, unterschiedliche Meinungen jedenfalls nicht auf das persönliche Verhältnis durchschlagen ließ.
Angesichts der schwierigen Aufgaben, die nach dem Krieg zu bewältigen waren, konnten parteipolitische Streitigkeiten, wie sie inzwischen leider zu beobachten sind, nur hinderlich sein, wurden daher im allgemeinen nicht zusätzlich gepflegt. Die im Zusammenhang mit den Problemen der Wiedervereinigung und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten erneut und dringend erforderliche Zusammenarbeit mindestens auf örtlicher Ebene, von manchen noch nicht richtig erkannt, mag in Zukunft auch im Rat wieder Parteipolitik und persönliche Mißstimmigkeiten zurückdrängen.
2. Sozialdemokraten in Amts- und Stadtvertretung bis 1969
Auf Grund der Kommunalwahl vom 9.11.52 wurden in die 17köpfige Amtsvertretung für die SPD Erwin Blenkle, Erich Hanke und Herbert Klose und in die 18köpfige Stadtvertretung Otto Burchardt, Erich Hanke und Waldemar Papenheim gewählt.
Klose, in Breslau 1902 geboren, gehörte zu den nach dem Krieg aus dem Osten Vertriebenen. Er war selbständiger Leiter der hiesigen Agentur einer im Raum Medebach/Winterberg verbreiteten Wochenzeitschrift. Seine Ehefrau Margret Klose stammte aus dem Sauerland. Der Amtsvertretung gehörte er von 1952 - 56 und nochmals von 1964 - 69 an. Gleichzeitig war er von 1954 - 69 (mit einer kurzen Unterbrechung 1956/57) Mitglied der Stadtvertretung. Schon 1952 wurde er zum Mitglied des Wohnungsausschusses als Vertreter der Bürgerschaft bestellt, war also nach heutigem Sprachgebrauch sachkundiger Bürger. Als Vorsitzender des Ortsvereins der Medebacher SPD von 1963 - 67 trat er wegen Bildung der großen Koalition im Bund 1967 aus der Partei aus. Im Jahre 140%4 verstarb er in Medebach(35).
Otto Burchardt, 1909 in Wordel/Märkisch Friedland geboren, Hilfsarbeiter, trat 1947 der SPD bei. In der Stadtvertretung saß er bis zur Wahl vom 19.3.1961. Dort gehörte er u.a. dem Wohlfahrts- und dem Bau- und Grundstücksausschuß an. Zeitweise, 1957 - 61, war er auch Vertriebenenobmann. Bei der 61er Wahl kandidierte er jedoch nicht mehr für die SPD, sondern für das Zentrum, wurde aber nicht gewählt. Offenbar hatte es innerhalb der SPD Schwierigkeiten mit seiner Aufstellung gegeben, deren Ursachen bis jetzt nicht ermittelt werden konnten. Im April 60 war er noch als Beisitzer in den Vorstand gewählt worden. Burchardt starb in Medebach im Jahre 1990.
Auch Waldemar Papenheim, 1898 in Bonn geboren, war bereits 1947 in die SPD eingetreten. Nach Medebach war er evakuiert worden und arbeitete hier als selbständiger Schumachermeister, zuletzt in der Niederstraße Nr. 2. Seit 1953 war er zunächst stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins, wurde nach dem Wegzug Hankes 1954 als dessen Nachfolger zum Vorsitzenden gewählt. Dies blieb er, bis er selbst im Jahre 1957 nach Bochum verzog. Bis zu seinem Wegzug war er zeitweise auch 1. Vorsitzender des Kreisverbandes Brilon. In der Stadtvertretung saß er von 1952 - 57 und gehörte dort u. a. dem Haupt- und dem Rechnungsprüfungsausschuß an.
Hankes Platz in der Amtsvertretung wurde durch seinen Wegzug nach Wuppertal im August 1954 frei. Ihn nahm ab der Sitzung vom 20.11.54 Paul Kempa ein, der auf der Reserveliste an nächster Stelle plaziert war. Kempa, 1914 geboren, stammte aus Laband in Oberschlesien. Von Beruf war er Zugschaffner. Seit 31.12.45 wohnte er nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in Medebach, zuletzt in einem der stadteigenen Hohoffhäuser. Der SPD war Kempa 1951 beigetreten. Das Mandat in der Amtsvertretung nahm er gegen den erklärten Wunsch der SPD-Ortsgruppe an. Angriffe gegen Kempa hatten seit einiger Zeit vor allem Waldemar Papenheim, aber auch Herbert Klose und Walter Schmidt geführt. Ihm wurde vorgeworfen, ein Denunziant zu sein(36). Seinem Ausschluß aus der SPD kam er durch Austritt im Januar 1956 zuvor, behielt jedoch sein Mandat bis zur Neuwahl im Herbst 1956. Im April 1957 verließ er Medebach und zog nach Plettenberg.
Obwohl die Zahl der Mitglieder des SPD-Ortsvereins Medebach ab Mitte der 50er Jahre bis etwa 1962 von 12 auf bis zu 36 (1960) bzw. 29 (1962) gestiegen war, zeigte sich bei den Kommunalwahlen vom 28.10.1956 ein gegenläufiger Trend: Nur noch 10,8% der Bürger in Oberschledorn und 13,1% derer in Medebach gaben der SPD ihre Stimme, so daß sie in der Amtsvertretung nur noch einen Sitz (Hubert Hunold), in der Stadtvertretung zwei Sitze (Otto Burchardt und Waldemar Papenheim) erhielt.
Hubert Hunold, am 25. 7. 1910 in Medebach geboren, am 26. 6. 1964 früh verstorben, war als technischer Angestellter stellvertretender Betriebsleiter bei Ewers. Der Amtsvertretung gehörte er von 1956 - 64 und der Stadtvertretung von 1961 - 64 an. Im Ortsverein wurde er als Nachfolger von Papenheim am 19. 1. 1957 zum Vorsitzenden und 1959 und 1960 in diese Position wiedergewählt. Im Jahre 1963 mußte er kurz vor seinem Tod den Vorsitz wegen Krankheit abgeben. Zwischendurch war er im Jahre 1957 stellvertretender Kreisvorsitzender der SPD im Altkreis Brilon.
Auch sein Sohn Harald Hunold, in Medebach 1934 geboren, der als SPD-Vertreter der Amtsvertretung von 1964 - 69 angehörte, verstarb früh Anfang der 70er Jahre. Von Beruf Schlosser bewies er ein bemerkenswertes Geschick, aus Schrauben, Muttern und sonstigen Metallteilen Figuren, u. a. ein vollständiges Schachspiel, herzustellen.
Als letzter in der Reihe der Amts- bzw. Stadtvertreter bis zur Neugliederung 1969 ist noch Erno Brehmke zu erwähnen, geboren 1928 in Quedlinburg, Stadtarbeiter (später bei Liedtke), zugezogen von Wehrstapel 1954. Mitglied der Stadtvertretung war er von 1964 - 69. Zunächst stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins seit 1963 übernahm er nach Ausscheiden von Herbert Klose für die Zeit von 1967 - 68 den Vorsitz.
In den Kreistag in Brilon konnte die Medebacher SPD eines ihrer Mitglieder erstmals 1964 entsenden. Es war Johann Rosanski, 1899 in Gelsenkirchen geboren. Vor 1945 hatte er allerdings in Ostpreußen gelebt, 1952 war er in Medebach in die SPD eingetreten. Rosanski war Haumeister von Beruf. Selbst Vertriebener kümmerte er sich als stellvertretender Obmann um deren Interessen. Dem Kreistag gehörte er nur während einer Wahlperiode bis 1969 an. Er starb am 13.4.1980.
3. Die Mitglieder der SPD in Medebach
Vollständige Listen der Mitgliedschaft besitzt der Medebacher Ortsverein der SPD leider nicht mehr. Recht gut dokumentiert ist die Mitgliedschaft bis Ende 1956, solange Papenheim die Liste führte. Annähernd vollständig dürften die Bewegungen der Mitgliedschaft auch noch bis 1963 geführt sein. Die letzte wohl vollständige Liste trägt das Datum "1. 5. 63". Sie verzeichnet noch 29 Mitglieder mit Namen und Anschrift. Die nächste uns bekannte Aufstellung ist nicht datiert, stammt aber etwa von 1969 und führt Namen, Anschriften, Berufe und Geburtsdaten von 28 Mitgliedern des Ortsvereins auf(37).
Erst ab 1985 existieren dann wieder vollständige Mitgliedschaftslisten. Das hängt offenbar wesentlich auch damit zusammen, daß im Zuge der Gründung des Hochsauerlandkreises auch die Organisation der SPD verändert wurde: Der Unterbezirk Iserlohn und der Kreisverband Brilon wurden aufgelöst, an ihre Stelle trat ab 1.7.140%5 der Unterbezirk Hochsauerlandkreis für unseren Raum. Die Unterlagen vom Kreisbüro sind bei der Übergabe an den Unterbezirk, wie Kreissekretär Julius Drescher berichtet hat, gegen seinen Widerspruch zum großen Teil vernichtet worden. Nur aus teilweise erhaltenen Niederschriften von Versammlungen und Vorstandssitzungen des Ortsvereins und aus der Erinnerung lassen sich daher vereinzelte Namen von Mitgliedern für die fehlende Zeit feststellen. Aus noch erhalten gebliebenen Abrechnungen der Beitragsmarken läßt sich für die Zeit von 1951 bis 140%0 glücklicherweise die Zahl der weiblichen und männlichen Ortsvereinsmitglieder, teilweise auch der Grund für Veränderungen - Ein- und Austritte, Wegzug, Tod, Ausschluß - entnehmen(38). Demnach ergeben sich folgende Mitgliederzahlen:
1951 | 16 |
1952 | ? |
1953 | 12 |
1954 | ? |
1955 | ? |
1956 | 31 |
1957 | 35 |
1958 | 35 |
1959 | 35 |
1960 | 34 |
1961 | 31 |
1963 | 19 |
1964 | 19 |
1965 | 16 |
1966 | 16 |
1967 | 12 |
1968 | 14 |
1969 | 28 |
1970 | 26 |
1971 | 25 |
1972 | 22 |
1973 | 44 |
In den folgenden Jahren stieg die durchschnittliche Zahl der Mitglieder auf über 50 an, konnte aber bis Anfang der 90er Jahre darüberhinaus nicht mehr gesteigert werden(39).
Das männliche Element dominierte eindeutig. In den Jahren bis 140%0 waren durchschnittlich nur zwei Frauen Mitglied des Ortsvereins, nur 1964 und 1965 waren es jeweils vier.
Deutliche Veränderungen sind zu erkennen nach dem Aufbau der Ortsgruppe in den 50er Jahren und dem Wegzug vieler, die infolge des Krieges nach Medebach gekommen waren. Der Konservatismus erstarkte wieder in Deutschland. Die SPD fand, vor allem im ländlichen Raum, nur schwer Nachwuchs. Das änderte sich erst in der Zeit der sozialliberalen Koalition, als Sozialdemokraten, insbesondere durch den Nachweis der Regierungsfähigkeit als Folge der großen Koalition, für breitere Schichten der Bevölkerung akzeptabel geworden waren und vor allem Beamte und Angestellte vermehrt Zugang zur SPD fanden.
Mitte der 50er Jahre stammte etwa die Hälfte der Mitglieder aus Medebach, je ein Viertel war zugezogen aus dem Ruhrgebiet und dem Osten, dort vor allem Schlesien.
In den Jahren 1946 - 69 stellten die Arbeiter etwa 68% der Mitglieder, etwa 19% waren Selbständige, der Rest verteilte sich auf Beamte und Angestellte. Dieses Bild änderte sich in der nachfolgenden Zeit bis zum Jahre 1985. Die Zahl der Arbeiter ging auf etwa 60%, die der Selbständigen auf etwa 8% zurück. Dagegen stieg die Zahl der Beamten und Angestellten auf ca. 30%. Dazu kamen noch in der Ausbildung Befindliche. Dieser Trend zur Veränderung der Mitgliedschaftsstruktur hat sich auch nach 1985 fortgesetzt. In den Jahren bis 1992 fiel der Anteil der Arbeiter auf 49% ab, die Zahl der Angestellten (21%) und Beamten (10%) blieb etwa gleich. Mehr Hausfrauen, oft wohl von ihren Männern nachgezogen, traten der SPD bei, sie bildeten die drittstärkste Gruppe mit 15%. Hingegen fiel der Anteil der Selbständigen weiter ab auf 5%.
Typische Berufe der Arbeiter werden angegeben mit Waldarbeiter, Schlosser, Kraftfahrer und Anstreicher. Unter den Selbständigen fanden sich Schneider, Schumacher, Schmied, Steinmetz, Landwirt, Gastwirt, Fahrlehrer, Agenturleiter, Arzt und Steuerberater. Zur Gruppe der Beamten und Angestellten zählten: technischer Betriebsleiter, Steiger, Verkäuferin, Architekt, Lehrer und Richter.
III. Die Anfänge
Dennoch dachte man jetzt an die Möglichkeit, einen Ortsverein der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Medebach zu gründen. Bei den Einheimischen, mehr noch den Ausgebombten, Evakuierten und Vertriebenen, konnte einige Unterstützung erwartet werden. Am 11. Juli 1946 beschloß der SPD-Kreisvorstand Brilon, Werner Schmidt aus Medebach, Martinstr. 2, mit der Bildung eines Ortsvereins in Medebach zu beauftragen. Unmittelbarer Anlaß dieses Beschlusses dürfte die bevorstehende erste Kommunalwahl am 15.9.46 gewesen sein.
Werner Schmidt, geboren am 2.10.1907 in Göttingen, war Betriebselektriker bei Fa. Schmidt. Anfang des Krieges mußte er für etwa ein Jahr ins Gefängnis, weil er sich negativ über die Naziherrschaft geäußert hatte. Anschließend kam er sofort als Soldat an die Front. Am Ende des Krieges gelang es ihm, sich über die Elbe vor der Sowjetarmee zu retten. Aus amerikanischer Gefangenschaft kehrte er im Frühjahr 1946 zurück nach Medebach. Weil seine sozialdemokratischen Überzeugungen bei Fa. Schmidt nicht gern gesehen wurden, legte er am 12.10.47 den Vorsitz der Ortsgruppe nieder und wechselte zur Conti nach Korbach. Er zog 1956 erneut nach Medebach, wo er 1979 starb.
Schmidt hatte mit der Gründung einer SPD-Ortsgruppe Erfolg. Viele Mitglieder konnte der Ortsverein allerdings nicht aufweisen. Leider ist der größte Teil der Unterlagen verlorengegangen, so daß die im folgenden genannten Mitgliederzahlen bis Ende der sechziger Jahre nicht vollständig sein müssen. Nach einer Mitteilung von Joachim Basse gehörten im Jahre 1946 folgende Mitglieder dem SPD-Ortsverein Medebach an: neben Werner Schmidt als Vorsitzendem er selbst (Basse), Schneidermeister Meinolf Schmidt, der Lehrer Rempe, und Gustav Knipp. Genannt werden außerdem Josef Nyssen, ehemals Prokurist bei Krupp in Essen, Uhrmacher Kottenberg, Fabrizius und Heinz Göhler. Soweit die Genannten nicht eingeschriebene Mitglieder waren, sympathisierten sie doch mit der SPD und nahmen an den Aktivitäten der Ortsgruppe teil. Hinzuzurechnen sind weiter die in den Listen der Stadt Medebach als Mitglieder der Amtsvertretung geführten Ludwig Hunold, Erwin Blenkle und Erich Hanke.
Ludwig Hunold, in Medebach 1906 geboren, war Mitglied der (ernannten) Amtsvertretung bis 15.9.46. Er war auf Anweisung des Landrats, der bei den von Amtsbürgermeister Rettig vorgeschlagenen Personen Fabrikarbeiter vermißte, erst nachträglich neben Gerhard Papenheim als Vertreter dieser Berufsgruppe benannt worden. Später wurde ihm vorgeworfen, Mitglied der SA und Blockwalter der DAF (Deutsche Arbeitsfront) gewesen zu sein. Hunold hat dazu erklärt, er sei 1933 Anwärter der SA gewesen, jedoch nach kurzem wegen Nichterscheinens beim Dienst wieder ausgeschlossen worden. Ewers als sein Arbeitgeber sei aufgefordert worden, ihn zu entlassen, habe aber auf diese Aufforderung nicht reagiert. Auch Franz Ewers sei sicher nie Anhänger der NSDAP gewesen. In der DAF habe er, Hunold, nie ein Amt bekleidet. Bei Ewers brachte er es bis zum Meister. Sein jüngerer Bruder Hubert Hunold wurde 1957 zum Vorsitzenden der Medebacher SPD gewählt.
Joachim Basse war mit seinen Eltern als 11jähriger 1931 von Hameln nach Medebach gekommen. Sein Vater Hans-Heinrich Basse war in Medebach geboren und betrieb hier einen Bierverlag, den später Tautz übernahm. Jochen Basse kehrte 1946 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück, ging schon 1948 zur Westfälischen Rundschau nach Arnsberg und war ab 1950 für diese Redakteur in Meschede.
Meinolf Schmidt, Oberstraße, Bruder des späteren Amtsbürgermeisters Felix Schmidt, war in Düsseldorf selbständiger Schneidermeister gewesen, wegen des Krieges jedoch wieder nach Medebach zurückgekehrt. Noch 1950 wird er als Mitglied der SPD erwähnt.
Johannes Rempe, geboren am 16.3.1903, von 1937 - 53 Lehrer an der katholischen Volksschule in Medebach (damals wohnte er in der Niederstraße, Haus Schröder), wurde später Rektor einer Schule in Olpe. Er hat 1945 Aufzeichnungen über den Einmarsch der Alliierten gemacht, die für Darstellungen dieser Zeit Verwendung gefunden haben. Seit 1986 lebte er wieder in Medebach, wo er am 1.8.93 verstorben ist.
Gustav Knipp, geboren 1920, stammte aus Düsseldorf. Nach Medebach evakuiert arbeitete er als Feinmechaniker beim Uhrmacher Kottenberg (zunächst Kapellenstraße, später Haus Lütkemeier), über den er zur SPD gestoßen ist. Für die SPD war er von 1948 bis zu seinem Wegzug nach Düsseldorf 1950 Mitglied der Amtsvertretung, im Ortsverein von 1947 - 50 Vorsitzender.
Erich Hanke, Jahrgang 1901, stammte aus Haynau in Schlesien. Sein Beruf wird mit "Staatsangestellter" angegeben. Von 1946 bis 1954 gehörte er für die SPD der Amtsvertretung und von 1948 bis 1954 der Stadtvertretung gleichzeitig an. Von 1950 - 54 war er Vorsitzender des Ortsvereins. Im Jahre 1954 zog er von Medebach nach Wuppertal. Während seiner Jahre in Medebach setzte er sich besonders für die Vertriebenen ein und war Obmann für Flüchtlingsfragen.
Erwin Blenkle stammte offenbar aus Bochum. Sein Beruf wird mit "technischer Angestellter" angegeben. Der Amtsvertretung gehörte er von 1946 bis 1953 an, dem Vorstand der SPD-Ortsgruppe als 1. Vorsitzender vom 10.6.50 bis zu seinem Fortzug 1953. Er war der Schwiegersohn von Waldemar Papenheim.
Ob der SPD-Ortsverein mehr als diese dreizehn Mitglieder im Jahr 1946 hatte, läßt sich nicht feststellen. Ebensowenig sind Unterlagen über die Intensität des Parteilebens aus dieser Zeit vorhanden. Basse erklärt, es hätten eine ganze Reihe SPD-Veranstaltungen, offenbar hauptsächlich im Hotel van Dyck, in dieser Zeit stattgefunden, die gut besucht gewesen seien. Andererseits heißt es im Protokoll der Sitzung des SPD-Kreisvorstands vom 1.2.47, die Plätze Hallenberg und Medebach lägen ziemlich brach. Am 21.2.47 werde in Medebach eine Kundgebung zur Landtagswahl vom 20.4.47 abgehalten.
VI. Die Entwicklung zur Volkspartei
1. Vor Godesberg
Seit dem Erfurter Programm im Jahre 1891 und der Entscheidung der SPD gegen den Revisionismus (Eduard Bernstein) 1903 galt die SPD als orthodoxe marxistische Partei. Diese theoretische Fixierung blieb im Bewußtsein der Menschen haften, nicht die praktische Politik der SPD. Denn tatsächlich verhielten sich ihre Repräsentanten in Partei und Parlamenten nicht orthodox sondern revisionistisch, wie schon in Kapitel I. hinsichtlich der Kriegskredite erwähnt. Dieses Auseinanderklaffen von theoretischer Aussage und praktischer Politik führte schon im I. Weltkrieg zur Abspaltung der Linken als USPD.
Nach dem II. Weltkrieg begann bereits im Jahre 1946 die SPD mit einer auch theoretischen Umformulierung ihrer programmatischen Aussagen(40). Kurt Schumacher betonte von Beginn an die Offenheit der Sozialdemokratie in weltanschaulicher Hinsicht und forderte auch diejenigen zur Mitarbeit in der SPD auf, die ihren geistigen Ursprung in der christlichen Soziallehre fanden. Im Aktionsprogramm(41) der SPD vom 28.9.52, erweitert auf dem Berliner Parteitag am 24.7.54, heißt es dann ausdrücklich: "In Europa sind Christentum, Humanismus und klassische Philosophie geistige und sittliche Wurzeln des sozialistischen Gedankenguts. Die Sozialdemokratie begrüßt die wachsende Erkenntnis vieler Christen, daß das Evangelium eine Verpflichtung zum sozialen Handeln und zur Verantwortung in der Gesellschaft einschließt." Und dort steht zwei Sätze weiter: "Die Kommunisten berufen sich zu Unrecht auf sozialistische Traditionen. In Wirklichkeit haben sie diese Tradition bis zur Unkenntlichkeit verzerrt."
Bereits in diesem Aktionsprogramm findet sich auch der Satz, die SPD sei aus der Partei der Arbeiterklasse, als die sie erstand, zur Partei des Volkes geworden. Das traf indes zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu. Diese Aussage ist vielmehr als Programmsatz zu lesen, als Zielvorstellung praktischer Politik. Nur in einem mühsamen Prozeß gelang es der SPD, über die Festschreibung ihrer theoretischen Vorstellungen im Godesberger Programm vom 15.11.59 und ihre sachbezogene Politik in Kommunen und Ländern, die Bürger zu überzeugen und den "Genossen Trend" für sich zu gewinnen.
Die SPD gewann keineswegs, wie sie erhofft und viele erwartet hatten, so viele Stimmen, daß sie als Regierungspartei im Bund ihre Vorstellungen einer gerechten Gesellschaftsordnung hätte verwirklichen können. Vielmehr mußte sie sich mit der Rolle einer "konstruktiven Opposition" begnügen. Als solche arbeitete sie jedoch entscheidend mit an der Entwicklung der Bundesrepublik. Der weitaus größte Teil aller im Bundestag beschlossenen Gesetze wurde mit den Stimmen der SPD verabschiedet, besonders in der Wohnungsbaugesetzgebung. Betriebsverfassungs-, Lastenausgleichs- und Kindergeldgesetz allerdings lehnte sie ab, weil sie sich mit ihren Vorstellungen eines gerechten sozialen Ausgleichs nicht hatte durchsetzen können.
Angesichts der katastrophalen Ausgangslage nach dem Krieg honorierten die Bürger in den Wahlen 1949 - 61 nicht das Programm der SPD sondern die Erfolge der Erhardschen Wirtschaftspolitik, die sie greifbar vor sich sahen. Die Linderung der akuten Not, der Wiederaufbau der Wirtschaft und damit einhergehend der fortschreitende Abbau der Arbeitslosigkeit bewegten die Leute mehr als Auseinandersetzungen um soziale Ausgewogenheit. Jeder spürte schließlich, daß es auch für ihn selbst aufwärts ging. Da wollte man sich nicht auf irgendwelche Experimente einlassen. Der Wahlslogan "Keine Experimente" der Union für die Bundestagswahl 1957, bei der die CDU zum ersten und einzigen Mal die absolute Mehrheit errang, kennzeichnet diese Einstellung der Bürger am besten(42).
Noch 1949 bei den ersten Wahlen zum Bundestag lag die SPD mit 29,2% der Stimmen nur knapp hinter der CDU mit 31%. Bei den Wahlen 1953 mußte die SPD sogar noch einen Verlust von 0,4 auf 28,8% hinnehmen, während CDU/CSU auf 45,2% kamen. Danach erhielt die SPD zwar in den Wahlen von 1957 bis 1969 kontinuierlich höhere Anteile, erreichte aber nur 1972, nach Abschluß der Ostverträge während der Zeit der sozialliberalen Koalition, die absolute Mehrheit.
Die SPD hat sich in der Zeit bis 1959 in mehrfacher Hinsicht geirrt. Die Unlust der Wähler, Experimente einzugehen, wurde schon erwähnt. Diese Unlust führte bei den Menschen jedoch auch außenpolitisch dazu, das Erreichte nicht in Gefahr geraten lassen zu wollen. Die auf nationale Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit bei gleichzeitiger Bindung an die Werte des demokratischen Westens gerichtete SPD-Politik vermochte die Bürger nicht zu überzeugen. Wiedervereinigung war angesichts der Teilung der Welt in die großen Blöcke ohne Gegenleistung, etwa Neutralisierung, wie in der Stalinnote von 1952 angesprochen, nicht zu haben.
Wer daher die Wiedervereinigung ernsthaft verwirklichen wollte wie die Sozialdemokratie, gefährdete die Westbindung und das darauf aufbauende "Wirtschaftswunder". Adenauer hatte erkannt, daß unter den gegebenen Umständen Westbindung und Wiedervereinigung sich ausschlossen. Die Stalinnote(43) wurde daher ebensowenig beantwortet, wie sonstige Schritte eines Entgegenkommens, etwa das Angebot (teil-) entmilitarisierter Zonen, auch nur in Erwägung gezogen wurden. Instinktiv empfanden auch die Bürger den Widerspruch zwischen Wiedervereinigung einerseits, Westbindung und Wohlstand andererseits. Sie begnügten sich daher mit der immer wiederholten verbalen Forderung nach Wiedervereinigung, waren aber jedem praktischen Schritt in diese Richtung abgeneigt, der unweigerlich zu "Experimenten" hätte führen müssen. Adenauer hat diese psychologische Konstellation klarer erkannt als die führenden Leute der SPD und diese Erkenntnis in seinen Wahlkämpfen einzusetzen gewußt.
Allerdings hat Adenauer seinerseits diese Einstellung der Menschen nicht nur genutzt, sondern sie auch gefördert, im Hinblick auf die Wiederbewaffnung sogar mit allen möglichen Mitteln herbeizuführen gesucht. Nach dem Krieg waren die Menschen keineswegs bereit, vorbehaltlos der Wiederaufstellung einer deutschen Armee zuzustimmen. Sie wurde jedoch von den Westmächten im Kalten Krieg für erforderlich gehalten, Adenauer bot ihnen bereits am 29.8.1950 deutsche Soldaten an. Um den Widerstand der eigenen Bevölkerung zu überwinden, bedurfte es des Aufbaues eines Feindbildes, das ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Machtverhältnisse die Bedrohung durch die östliche Weltmacht weit übersteigerte. Nur mit Hilfe dieses immer wieder bewährten psychologischen Mittels konnten die Vorbehalte der in diesem Jahrhundert durch zwei verlorene Weltkriege des Militärs müde gewordenen Menschen beseitigt werden. Adenauer scheute nach neuerlichen Untersuchungen nicht einmal davor zurück, die deutschen Kriegsgefangenen für diesen Zweck zu benutzen. Als im Oktober 1950 der SPD-Abgeordnete Herbert Wehner und der CDU-Abgeordnete Eugen Gerstenmaier in New York die Westmächte veranlaßten, sich im Rahmen der UNO mit dem Problem zu befassen, ließ Adenauer kurz vor der UN-Vollversammlung im Dezember 1950 in einer Stellungnahme so schwere Vorwürfe gegen die Sowjetunion verbreiten, daß die beabsichtigte Provokation ihr Ziel erreichte: Die Versuche einer Verhandlung mit der Sowjetunion über die Kriegsgefangenen waren wieder einmal blockiert. Als 1952 die Sowjetunion Gesprächen zwischen den Rotkreuzgesellschaften über die Freilassung der Gefangenen zustimmte, wollte der Präsident des DRK, Heinrich Weitz, nach Moskau reisen, um darüber zu verhandeln. Das Auswärtige Amt verhinderte dies mit massivem Druck auf Weitz(44).
Die Adenauersche Politik der Westbindung wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Sie war notwendig, um die demokratieunerfahrenen Deutschen in der Anlehnung an den demokratischen Westen aus ihrer unheilvollen nationalen Selbstüberschätzung herauszuführen. Nur mit der Hilfe des Westens konnte es gelingen, auch in der Bundesrepublik ein demokratisches System zu etablieren. Die Erfahrungen mit den Verbrechen nationaler Diktatur und mit dem durch sie verursachtem katastrophalen Zusammenbruch waren Voraussetzung für das notwendige Umdenken. Erreicht wurde das Ziel jedoch mit Methoden, die dem alten Obrigkeitsstaat eine Chance ließen. Wiederbewaffnung, Propaganda des Kalten Krieges, Wiedereinstellung der belasteten Diener des nationalsozialistischen Dritten Reiches, Verzicht auf demokratischen Umbau der belasteten Justiz ließen die Ursachen für mögliche Rückkehr zu antidemokratischem Denken bestehen, manifestiert im Erstarken der NPD Ende der 60er Jahre und der Republikaner Ende der 80er Jahre.
Konnte man von einem Staatsekretär Globke, dem Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, oder einem Professor Oberländer vom BHE als Minister einen demokratischen Wandel erwarten? Konnten republikfeindliche Richter und Staatsanwälte, blind auf dem rechten Auge(45) und teils Steigbügelhalter des Nationalsozialismus, zum anderen Teil an ihn jedenfalls - mit wenigen rühmlichen Ausnahmen - angepaßt, den juristischen Nachwuchs zu Demokraten erziehen? Konnte die Einteilung in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse, in Freund und Feind, die Verunglimpfung des demokratischen Sozialismus als verkappten Kommunismus Toleranz in der politischen Auseinandersetzung befördern?
Man mag sich fragen, ob die zweifellos notwendige Westbindung Deutschlands tatsächlich die Adenauerschen Methoden in der Innenpolitik rechtfertigten. Die Westbindung konnte ja nicht Ziel an sich sein. Sie war für den Umbau Deutschlands zu einem zivilisierten, demokratischen Staat erforderlich. Dem waren die wenig zimperlichen Methoden im Inneren höchst abträglich(46). Das gilt nicht nur für den autoritären Regierungsstil, sondern in besonderem Maße für die Verteufelung der Gewerkschaften und der SPD. Erinnert sei daran, daß Adenauer im Wahlkampf 1961 Willy Brandt als Herbert Frahm, den unehelich geborenen Emigranten, verunglimpfte.
2. Öffentliche Meinung im Sauerland
Die Ausgrenzung der Sozialdemokraten durch Adenauer verfehlte ihre Wirkung vor allem in den CDU-Hochburgen nicht. Zu diesen zählte das katholische, ländliche Sauerland(47). In dieser Zeit ohne Fernsehen, in der Nachrichten nur durch Radio und Zeitungen verbreitet wurden, begriff sich die die öffentliche Meinung im Kreis Brilon wiedergebende Westfalenpost(48) als Organ christdemokratischer Politik.
Entsprechend fiel auch die Berichterstattung aus. Andere Parteien als die CDU kamen praktisch nicht vor. SPD und Zentrum fanden allenfalls mit negativem Vorzeichen Erwähnung. In der Ausgabe vom 11.11.52 nach der Kommunalwahl(49) hieß es beispielsweise: "Gemeinden bekannten sich zur CDU", in der Unterschrift: "Giershagen und Padberg bleiben rot - Verluste beim Zentrum". Am 29.10.56 heißt es: "Hochsauerland bekennt sich zur CDU"(50). Verräterisch ist hier schon der Gebrauch der beiden Wörter "bekennen" und "rot". Bekennen kann man sich zu einem Glauben, einer Weltanschauung, wohl auch zu bestimmten Tatsachen. Eine politische Partei zählt nicht zu diesen Kategorien, sie ist vor allem keine Religion, zu der man sich bekennen könnte. Selbst die sowjetische KPdSU hat ihren Anspruch als Ersatzreligion nicht erfüllen können. Sie ist kläglich gescheitert. Gerade mit diesen "roten" Kommunisten aber sollten die "roten" Giershagener und Padberger in Verbindung gebracht werden.
Vor der Kommunalwahl im Oktober 1956(51) machte die Westfalenpost gänzlich unverblümt Wahlwerbung für die CDU. Deren sämtliche Kreistagskandidaten wurden ausführlich vorgestellt(52). Direkt unter der Überschrift "Briloner Nachrichten - Amtliches Bekanntmachungsorgan des Kreises Brilon" (was für die Berichterstattung den Eindruck amtlicher Empfehlung erweckt) heißt es: "Wie die CDU-Kandidaten morgen angekreuzt werden". Zur Illustration sind Wahlzettel abgebildet, die ausschließlich die CDU-Kandidaten mit dem Kreuzchen an der "richtigen" Stelle aufführen.
Solche "Berichterstattung" vermittelt einen Eindruck vom Erfolg Adenauerscher Polemik gegen den innenpolitischen Gegner im hiesigen Bereich. Um so anerkennenswerter der Mut, sich selbst in einer Stadt wie Medebach für die deutsche Sozialdemokratie zu engagieren und in Amts- und Stadtvertretung sozialdemokratische Positionen zu vertreten.
3. Kommunalpolitik in Medebach
Das war nicht immer leicht. Hatte in den Anfangsjahren die Parteizugehörigkeit noch keine allzu große Rolle gespielt, so versuchte die mit absoluter Mehrheit ausgestattete CDU später doch, SPD und Zentrum aus der Mitarbeit in der Stadtpolitik soweit wie möglich herauszudrängen. Sie beschränkte zunächst die Mitgliedszahl der Ausschüsse sowohl in der Amts- wie in der Stadtvertretung auf sieben mit der Folge, daß nur noch je ein Vertreter von SPD und Zentrum in den jeweiligen Ausschüssen saß.
Zu einem besonderen Eklat kam es nach der Kommunalwahl vom Oktober 1964. Obwohl Fritz Schröder auch die Stimmen von SPD und Zentrum bei seiner Wiederwahl zum Amtsbürgermeister erhielt, verlangte die CDU, den Haupt- und Finanzausschuß allein mit CDU-Mitgliedern zu besetzen. Alfons Schröder vom Zentrum machte für die beiden kleinen Parteien gegen diese Majorisierung Front, wurde auch von Amtsdirektor Hausmann hierin unterstützt. Dennoch setzte die CDU ihre Absicht durch. Sie bezog zunächst sogar den Rechnungsprüfungsausschuß mit ein. Die beiden Oppositionsparteien sollten der regierenden CDU nicht mehr "in die Karten sehen" können. Erst nach massiven Protesten erreichten SPD und Zentrum die Erweiterung wenigstens des Rechnungsprüfungsausschusses um je ein SPD- und Zentrumsmitglied(53). Eine ähnliche Auseinandersetzung hatte es bereits 1961 in der Stadtvertretung gegeben(54). Dort blieben aber SPD und Zentrum im Ergebnis in allen Ausschüssen vertreten.
Die SPD-Vertreter in Amts- und Stadtvertretung nahmen insbesondere die Interessen der sozial Schwächeren wahr. Deshalb arbeiteten sie vor allem in den Ausschüssen und Funktionen mit, die sich mit deren Problemen beschäftigten. Hanke und nach seinem Wegzug 1954 Burchardt als Obmann der Vertriebenen und Flüchtlinge, Klose als Vertreter des Bundes der Fliegergeschädigten kümmerten sich, wie schon erwähnt, um die Unterbringung durch Aufstellung von Baracken und Installation von Sanitäranlagen(55). Im Wohnungs-, Wohlfahrts-, Schulspeisungs-, Bau- sowie im Verkehrs- und Industrieförderungsausschuß, später Wirtschaftsausschuß, findet man die SPD-Vertreter immer wieder. Dort beschäftigte man sich mit der Wohnungsvergabe, der Unterbringung der Flüchtlinge, den Zuzugsgenehmigungen, dem Bau der ersten Wohnsiedlungen Glindfelderweg, Weddel und Vopeliusstraße und der Ansiedlung von Industrieunternehmen.
Deutlich ist den Sitzungsniederschriften von Amts- und Stadtvertretung zu entnehmen, wie sich die Themenschwerpunkte ab Beginn der 50er Jahre allmählich verlagerten. Die unmittelbare Not wurde in den ersten Jahren nach der Währungsreform überwunden. Die Sicherstellung des Erreichten und die Weiterentwicklung von Stadt und Amt rückten immer weiter in den Vordergrund:
Der Versuch, die Kleinbahn Steinhelle-Medebach zu erhalten, scheitert. Versprochene Verkehrsanbindungen durch Busse nach Brilon und Ausbau der Straße von der Grafschaft nach Küstelberg werden entweder nicht durchgeführt (Straße) oder wieder eingestellt(56). Im Verkehrs- und Industrieförderungsausschuß beschäftigt man sich mit der Gewinnung auswärtiger Unternehmen, die ihre Fabrikationen nach Medebach verlagern oder dort neu aufbauen sollen. Schon 1948 gelingt dies nicht mit verschiedenen Interessenten: einer Kleider- und Wäschefabrik aus Löhne, einer Firma aus Hagen-Haspe. Nach langen Verhandlungen entschließt sich erst 1954 die Firma Liedtke aus Fredeburg, in der Hengsbecke Werksanlagen zur Herstellung von Stahlbetonmatten zu errichten(57). 40 Arbeitskräfte sind vorgesehen. Die Stadt muß mit erheblichen Leistungen dem Interessenten entgegegkommen, ihn mit Krediten fördern, die sie selbst aufnimmt, Bauholz zur Verfügung stellen. Das alles führt aber zu Folgeproblemen. So wird die Schurrenstraße durch die schweren Lastzüge von Liedtke überlastet, sie muß durch Verrohrung des Straßengrabens erweitert werden(58).
Für das Gewerbegebiet Hengsbecke wird sogar eine eigene Industriegesellschaft m. b. H. gegründet, die die Erschließung und Ansiedlung von Unternehmen betreiben soll(59). Man kommt aber nicht so recht weiter. Medebach liegt zu weit abseits, die Verkehrsanbindungen sind zu schlecht. In der Sitzung der Stadtvertretung vom 16.4.57 beschwert sich Bürgermeister Schmidt, daß die Versuche, weitere Industrien anzusiedeln, keinen Erfolg hatten, weil die Stadt die finanziellen Forderungen der Interessenten nicht erfüllen konnte(60). Daher bemüht man sich in diesen Jahren, allerdings letztlich vergeblich, um das Interesse des Bundesverteidigungsministeriums. Die Stadt bietet Gelände für den Bau einer Kaserne oder einer Lehrlingsausbildungsstätte für den flugtechnischen Nachwuchs an. Viele Medebacher fürchten für diesen Fall aber um ihre Töchter(61). Der Mitbewerber Frankenberg jedoch ist erfolgreich und erhält den Zuschlag für die Burgwaldkaserne. Medebach stellt entsprechende Bemühungen 1960 ein.
In der Sitzung vom 4.6.57(62) bildet die Stadt einen Industriebeschaffungsausschuß, dem Bürgermeister Fritz Schröder sowie Gregor Müllenhoff und Josef Althaus angehören(63). Der Ausschuß verhandelt mit verschiedenen Elektro- und metallverarbeitenden Unternehmen - jedoch ohne Erfolg. In öffentlicher Sitzung vom 3.12.57(64) kritisiert Klose (SPD) die Art der Verhandlungen scharf und verbindet seine Kritik mit einem Mißtrauensantrag gegen den Bürgermeister, der aber abgelehnt wird. Die Stadt setzt ihre Bemühungen um Industrieansiedlungen fort, das Ergebnis bleibt mager.
Für die nach Medebach gekommenen Ostvertriebenen und später zugewiesenen Sowjetzonenflüchtlinge schafft die Stadt neue Siedlungen. Schon 1949 wird das Gelände am Glindfelderweg hierfür vorgesehen. Ein Teilbebauungsplan wird aufgestellt(65). Die Verhandlungen mit der katholischen Kirchengemeinde über den notwendigen Geländetausch gestalten sich schwierig, da im Tauschwege ein Mehr an städtischem Gelände verlangt wird. Zunächst arbeitet die Stadt wegen des Baues von Siedlungshäusern mit der Westfälischen Heimstätte Arnsberg zusammen, danach beteiligt sich die Gemeinnützige Siedlungs- und Baugenossenschaft des Kreises Brilon, von der die Stadt drei Anteile übernimmt. SPD-Stadtvertreter Knipp spricht sich vor allem für den Bau von Kleinwohnungen aus(66). Die Einrichtung von Spielstraßen für die Kinder, so ein Antrag der Polizei von 1949, hält man allerdings nicht für erforderlich. Hanke (SPD) verlangt Hilfe der Stadt für die Bauwilligen bei der Finanzierung. Die Bauplätze wurden damals für 1,- DM je m2 verkauft(67). Der Bau der Siedlungshäuser leert die Baracken, 1957 beginnt eine "Entbarackungsaktion", die einige Jahre andauert.
Die Aufstellung eines Bauleitplans für das ganze Medebacher Stadtgebiet wird erst mehrere Jahre später beschlossen(68). Die Verhandlungen ziehen sich hin. Erst 1961, inzwischen ist das Bundesbaugesetz in Kraft getreten, wird er im Stadtrat mit 13 gegen 3 Stimmen ( von Klose (SPD), Ricken und Althaus) als Flächennutzungsplan beschlossen(69).
Die Ausweisung neuer Baugebiete, nach Glindfelderweg auch Weddel und Vopeliusstraße(70), und die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich zwischen Korbacherstraße und Bahnhof(71) bedurfte der Ergänzung durch Infrastrukturmaßnahmen: Straßenbau, Wasserleitungen, Kanalisation. Schon 1948 beschäftigte sich die Stadtvertretung mit der Instandhaltung und dem Neubau von Wasserleitungen.
Zwei Jahre später begann die Diskussion über Ausbau und Abdeckung der Medebach, die wegen Einleitung der Abwässer besonders im Sommer, wenn sie wenig Wasser führte, zu Klagen über erhebliche Geruchsbelästigungen Anlaß gab(72). Einstimmig beschloß der Rat die Abdeckung, für die öffentliche Mittel im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt wurden. Die Probleme mit der Abwasserbeseitigung beschäftigten den Rat in den folgenden Jahren immer wieder, zumal es noch keine Kläranlage gab. Aber es fehlte Geld. Die Stadt war seit 1956 Fehlbetragsgemeinde. Das Wasserwirtschaftsamt Hagen forderte 1962 dringend einen Ausbau der Kanalisation und stellte für Kläranlage, Haupt- und Nebensammler Landesbeihilfen in Höhe von 80 - 95 % in Aussicht(73). Aber erst 1965 wurden die Überarbeitung des zentralen Abwasserplans von 1954 wegen stärkerer Siedlungstätigkeit, als damals angenommen, sowie die Planung einer Kläranlage beschlossen(74).
Mit Problemen wegen fehlenden Wassers hatte die Stadt von Anfang an zu kämpfen. Ihr wird im Jahre 1959 der Bau einer Pumpstation im Orketal empfohlen. Schürfversuche im damaligen trockenen Sommer waren dort erfolgreich gewesen(75). Aber erst 1964 beschließt man den Bau dieser Pumpstation und eines Hochbehälters am Schützenplatz(76). Das Wassergeld wird 1958 von 0,35 DM auf 0,45 DM je m3 angehoben, die Abwassergebühr beträgt 0,10 DM je m3. Aber zum Vergleich: der Stundenlohn eines Stadtarbeiters betrug 1954 1,20 DM.
Die Bevölkerung wehrte sich auch gegen die beabsichtigte Einführung einer Müllabfuhr. Sie wollte den Müll lieber weiter selbst auf die vielen kleinen Müllkippen bringen. Dennoch beschloß die Stadtvertretung 1955 zunächst die Einrichtung einer Müllabfuhr auf freiwilliger Grundlage(77). Schon nach zwei Jahren wurde dann doch die Müllabfuhr mit Anschluß- und Benutzungszwang eingeführt(78).
Auch Krankenhaus und Feuerwehr gehören zu einer intakten Infrastruktur. Als Fehlbetragsgemeinde tat sich die Stadt 1956 schwer, an der Finanzierung der geplanten Krankenhauserweiterung teilzunehmen(79). Dieselbe Lage ergab sich zwei Jahre später, als der Neubau eines Feuerwehrgerätehauses erörtert wurde(80).
Besonders aufwendig war der Straßen- und Wegebau. Ab Mitte der 50er Jahre wurden die Straßen nach Glindfeld und Berge, die Kapellenstraße, die Straßen im Siedlungsgebiet Glindfelderweg, Schul-, Markt-, Kirch-, Weddel-, Vopelius-, Hardt-, Kurfürsten-,Hinter-, Schützen- und Bahnhofstraße sowie Nordwall, Südwall und Junkernhof ausgebaut oder instandgesetzt. Ein Fünfjahresplan für den Ausbau von Wirtschaftswegen wurde 1957 beschlossen, zu dessen Kosten das Land 50% beisteuerte. Die Jagdpachten flossen ebenfalls in den Wirtschaftswegebau. Wegen der Schwierigkeiten im Haushalt wurde die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke 1950 wieder auf 200% angehoben, seit 1957 wurde für den Ausbau weiterer Gemeindewege mit Genehmigung der Bezirksregierung bei der Grundsteuer A ein Zuschlag von 100% erhoben(81).
Zur Förderung des Fremdenverkehrs und im Hinblick auf das sich ändernde Freizeitverhalten der Deutschen beschäftigte sich der Stadtrat mit Plänen zur Errichtung eines Freibads, einer Minigolfanlage und verschiedenen privaten Vorhaben zur Errichtung von Feriensiedlungen(82). Eine Badeanstalt, für die sich Hanke (SPD) in besonderem Maße einsetzte, sollte zunächst in der Harbecke gebaut werden. Dem Unternehmen blieb der Erfolg versagt: Die Bezirksregierung verweigerte die Förderung, weil das obere Sauerland klimatisch nicht für Freibäder geeignet sei, zudem die Gemeinden damit nicht Jugend und Schwimmsport, sondern den Fremdenverkehr fördern wollten. Auch provisorische Badegelegenheiten im Orke- oder Gelängetal konnten nicht verwirklicht werden. Schließlich einigte sich der Rat auf die Errichtung eines Lehrschwimmbeckens auf dem Gelände am Schützenhof(83), wobei der Gesamtaufwand auf 70.000,- DM geschätzt wurde.
Bereits 1956 beriet die Stadtvertretung einen vom Architekten Knöpfel vorgelegten Bebauungsplan für das Gelände bei der Poltermühle(84). Dort sollten 42 Siedlungshäuser errichtet werden. Auf Initiative von Amtsdirektor Hausmann griff der Rat diesen Plan 1961 in veränderter Form wieder auf, ein Jahr später lag dem Rat der Baugebietsplan Ferienzentrum Poltermühle zur Erörterung vor(85). Er wurde einstimmig angenommen. Die Cosmotel (Dr. Mlynek) wollte eine Bungalowsiedlung mit einem gesonderten Bäderzentrum und zwei 24geschossigen Hochhäusern errichten. Die Bungalows sind großenteils in den 60er Jahren und auch noch nach Konkurs der Trägergesellschaft gebaut worden. Viel Mühe hat es die Stadt später gekostet, über eine Änderung des Planes den Hochhausbau zu verhindern(86).
Auch die schulische Situation beschäftigte Amts- und Stadtvertretung stark. Beide versuchten, die vom Kreis betriebene Zentralisierung des Berufsschulwesens zu verhindern. Die Bezirksregierung lehnte die Genehmigung einer Übernahme der landwirt-schaftlichen Berufsschule durch das Amt ab. Hanke rügte 1954, das Amt sei hinsichtlich des bei Fa. Ewers eingerichteten Berufsschulzweiges nachlässig gewesen, so daß ein Abzug drohe(87). Zur gleichen Zeit beschäftigten sich die Amtsvertretung mit der Erweiterung des Progymnasiums um eine 6. Klasse (Untersekunda)(88) und die Stadtvertretung mit dem Neubau einer evangelischen Volksschule(89).
Der Stadtrat beabsichtigte auch, die katholische Volksschule mit einem Kostenaufwand von ca. 150.000,- DM zu vergrößern. Die Bezirksregierung riet davon ab und empfahl, lieber neu zu bauen. An den Kosten von mindestens 800.000,- DM wollte sich das Land mit 25% beteiligen(90). Dieses Vorhaben führte zu großen Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche, die jahrelange Verhandlungen zur Folge hatten. Selbst nach schon durchgeführtem Bau verweigerte das Generalvikariat in Paderborn die Genehmigung des zwischen Stadt und Kirchengemeinde abgeschlossenen Vertrages. Das führte sogar dazu, daß Klose (SPD) 1964 die Einleitung eines Enteignungsverfahrens beantragte. Auf Anraten anderer Ratsmitglieder stellt er diesen Antrag dann aber zurück(91). Offensichtlich waren auch die übrigen Ratsmitglieder über das Verhalten des Generalvikariats erbost. Schließlich kam sogar der Generalvikar zu einem Gespräch nach Medebach, das letztlich eine Einigung brachte.
Der Kreisbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz beantragte 1959 bei der Stadt, die Umgebung Medebachs solle unter Landschaftsschutz gestellt werden. Wie nicht anders zu erwarten, lehnte der Rat einstimmig (einschließlich der beiden SPD-Vertreter) diesen Antrag ab(92). Das konnte natürlich nicht das letzte Wort sein. Am 8. 2. 62 stimmte der Rat zu, wenigstens die städtischen Flächen diesem Schutz zu unterstellen(93). Dagegen gestimmt haben Herbert Klose, SPD, und die beiden Vertreter des Zentrums Alfons Schröder und Albert Klüppel(94).
Seit 1967 beschäftigten sich Amtsvertretung und sämtliche Gemeinderäte mit der Gebiets- und Verwaltungsneugliederung(95). In einem ersten Gespräch mit OKD Dr. Müllmann schlug dieser vor, Winterberg, Medebach und Hallenberg zu einem "Amt Winterberg" zusammenzufassen. Dagegen wehrte sich die Amtsvertretung einstimmig, auch Stadt und Gemeinden schlossen sich der Ablehnung an. Notfalls wollten sich die Gemeinden sogar zu einer Großgemeinde Medebach zusammenzuschließen, um einer Angliederung an Winterberg zu entgehen. Nachdem im Laufe der beiden folgenden Jahre sichergestellt wurde, daß die finanzielle Förderung der Fehlbetragsgemeinden durch das Land erhalten blieb und neben der künftigen Hauptschule in Medebach Grundschulen auch in Oberschledorn und - zunächst - in Medelon erhalten blieben, stimmten die Amtsvertreter am 18.5.68 einstimmig zu, den ausgearbeiteten Gebietsänderungsvertrag über die Bildung der Großgemeinde Stadt Medebach (ab 1.7.69) genehmigen zu lassen. Auch Düdinghausen, dessen Gemeindevertretung dem Zusammenschluß nicht zustimmte, fand sich damit ab. Auf diese Weise konnte tatsächlich die Selbständigkeit Medebachs erhalten werden, die allerdings auch in den nächsten Jahren noch durch die Landesentwicklungsplanung bedroht war(96). Die SPD-Mitglieder der Stadtvertretung sind dabei immer und überzeugt für die Selbständigkeit eingetreten.
In all den Jahren mußte sich der Stadtrat auch mit weniger wichtigen Angelegenheiten beschäftigen, z. B. den Zuschüssen für Vereine oder sämtlichen Bauanträgen. Da die Ausschüsse keine eigene Entscheidungsbefugnis hatten, konnten sie nur vorberaten.
4. Anzeichen einer Wende
Betrachtet man die Schwerpunktthemen der Medebacher Kommunalpolitik, so wird ab Mitte der 60er Jahre deutlich, wie weit die Probleme aus der Nachkriegszeit in den seitdem vergangenen 20 Jahren von einer manchmal geradezu beängstigenden Normalität abgelöst worden sind. Beängstigend, weil man angesichts der Banalität des Normalen die Gefahren eines bloßen Verwaltens ohne eigene Ideen übersieht. Die Verhältnisse wandeln sich, bequem zurückgelehnt geraten die Politiker auf allen Ebenen, von der Gemeinde bis zum Bund, in Gefahr, die Veränderungen zu verschlafen.
Eine erste Warnung war die wirtschaftliche Krise von 1966, die Erhard die Kanzlerschaft kostete. Ihre Überwindung bereitete Karl Schiller, Wirtschaftsminister der großen Koalition, noch wenig Mühe. Dennoch verharrten zu viele Bürger in ihrer bequemen Sattheit. Sie bemerkten nicht, daß vor allem die Jugend sich mit diesem bloß noch konsumierenden Hineinleben in den Tag nicht länger abfinden wollte. In München gab es schon im Sommer 1962 die "Schwabinger Krawalle", die in ihrem Ursprung gar keine Krawalle waren, sondern nur von der Ordnungsmacht einschließlich des damaligen Oberbürgermeisters Hans Jochen Vogel (SPD) so bezeichnet wurden. Denn wer aus dem spieß-bürgerlichen Nest über den Rand hinaussah, sich mit der verdrängten nationalsozialistischen Vergangenheit beschäftigte, den sozialen Niedergang bestimmter Schichten der eigenen Bevölkerung oder die zunehmende Verelendung der Entwicklungsländer nicht länger übersehen wollte, galt als Störenfried. Die Obrigkeit schritt mit Hilfe der Polizei oftmals brutal ein.
Einen Höhepunkt erreichte diese Art der Normalisierung mit dem Schahbesuch im Juni 1967 in der Bundesrepublik. Die Tötung des Studenten Benno Ohnesorg durch einen Polizisten in Berlin brachte das Faß zum Überlaufen. Die jungen Leute, vor allem an den Universitäten, riefen die außerparlamentarische Opposition der 68er aus und handelten danach. Man bekämpfte die staatliche Übergewalt, wo immer sie eine Gelegenheit zur Kritik bot, etwa bei den Notstandsgesetzen(97), außenpolitisch in ihrer Haltung zum Vietnamkrieg. Im Gegensatz zum Kanzler der großen Koalition, dem durch seine Vergangenheit im Nationalsozialismus belasteten Kiesinger, hatte die SPD in Willy Brandt, lange Zeit Regierender Bürgermeister in Berlin und nun Außenminister, einen glaubwürdigen und integren Vertreter, dem auch junge Leute zuhörten. Ihm und der SPD gelang, was Geschichts-konservative und eher nach taktischen Gesichtspunkten Politik treibende CDU-Vertreter wie Barzel oder Schröder nicht hätten erreichen können. Der größte Teil der aufbegehrenden Jugend konnte eingebunden werden(98). Die deutsche Sozialdemokratie hatte die Bürger von ihrer demokratischen Kompetenz durch die inzwischen abgeschlossene Entwicklung zur Volkspartei (anscheinend?) überzeugen können. Nach der Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten wurde die sozial-liberale Koalition von den Bürgerinnen und Bürgern im Herbst 1969 mit einer Erneuerung der bundesrepublikanischen Politik betraut.
In Medebach hat man dies wohl zunächst nicht so gesehen. Dennoch gab es auch hier schon 1969 Bewegung in der regierenden CDU. Eine Reihe jüngerer Leute traten mit dem erklärten Ziel in diese Partei ein (bzw. arbeiteten in ihr nun intensiver mit), die alte Garde der bestimmenden Kommunalpolitiker abzulösen. An ihre Spitze stellte sich Günter Langen, der schon seit 1964 für die CDU im Stadtrat saß. Zum Bürgermeister wurde er erstmals 1975 gewählt und ist es seitdem geblieben(99).
VII. Die siebziger Jahre
1. Die sozialliberale Koalition
Viele datieren das Ende der Nachkriegszeit auf das Jahr 1968. Ralf Dahrendorf und Kurt Biedenkopf sehen hier gar den Abschluß einer 100 Jahre dauernden "Entwicklung, in deren Verlauf die wichtigsten Ideen der sozialistischen Bewegung, ausgelöst und geprägt durch die gesellschaftlichen Bedingungen des 19. Jahrhunderts, von der politischen Allgemeinheit rezipiert wurden"(100). Damit brach nach Dahrendorf die Hegemonie sozialdemokratischer Politk an, ganz gleich, ob sie von Helmut Schmidt, Valery Giscard d'Estaing oder Edward Heath vertreten wurde. Sowohl Dahrendorf wie Biedenkopf sahen darin aber auch die Ursache für ein Stagnieren der Politik, das Fehlen überzeugender Ideen für einen weiteren Fortschritt, weil das Erreichte nicht gefährdet werden sollte.
Zu Recht weist aber Gaus darauf hin, daß mit dieser Übernahme eines sozialdemokratischen Grundkonsenses durch alle "etablierten" Parteien, wie man sie später nannte, nicht etwa eine allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz der sozialdemokratischen Partei verbunden war(101). Er zitiert Bundeskanzler Kohl: "Soz' bleibt Soz', da hilft auch kein Zylinder". Das sei zwar witzig gemeint, in dem Scherz stecke aber eine tiefe emotionale kleinbürgerliche Abneigung. Auch im privaten Gespräch werde auf sozialdemokratische Parteizugehörigkeit direkt oder versteckt hingewiesen, nicht so auf die zur Union oder FDP. Von der Richtigkeit dieser Beobachtung Gaus' kann man sich zumal im ländlichen Medebach täglich überzeugen. Helmut Schmidt (und andere Sozialdemokraten) werden zwar persönlich geachtet, aber man meint, sie gehörten eigentlich in eine andere Partei.
Kurze Zeit, während der Kanzlerschaft Willy Brandts, schien dies anders zu sein. Vorübergehend erhielten die Sozialdemokraten Zulauf aus bürgerlich-liberalen Kreisen, weil - so Gaus - die Ost- und Deutschlandpolitik eine größere Übereinstimmung mit der damaligen Politik der amerikanischen Vormacht sicherte. Die Union habe nicht früh genug bemerkt, daß die USA auf Entspannung umgeschaltet hatten. Im Jahre 1972 konnte die SPD 155.658 Neuzugänge verzeichnen(102), eine weder vorher noch nachher annähernd erreichte Zahl. Die überwiegende Mehrheit der Bürger unterstützte die Ostpolitik. Craig: Die "Politik der Stärke" gegenüber dem Osten, die "Hallstein-Doktrin" der Isolierung der DDR, mußten den Frieden in Europa gefährden, weil sie die Spannung zwischen den beiden deutschen Staaten auf einem äußerst gefährlichen Niveau hielten(103). Zugleich gefährdeten sie damit den erreichten Wohlstand. Die Versuche der Union, an ihrer überholten Politik festzuhalten, führten in der Wahl von 1972 zur absoluten Mehrheit der SPD im Bundestag.
Nach Bestätigung ihrer Ost- und Deutschlandpolitik geriet die sozialliberale Koalition aber bereits in Schwierigkeiten. Das begann innenpolitisch mit den Sytemveränderern, denen der "Radikalenerlaß" von 1972 begegnen sollte, ein untaugliches Mittel, wie später auch Brandt eingeräumt hat. Die Koalition hatte sich vom konservativen Freund-Feind-Denken zur Polarisierung treiben lassen. Statt eine demokratische Streitkultur zu fördern, ließ man sich auf die Straußsche Konfrontationsstrategie (Sonthofen) ein. Dazu trug in nicht geringem Maß die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse mit der ersten Ölkrise 1973/74, der Schwäche des Dollars und dem Zusammenbruch der festen Währungsparitäten des Systems von Bretton Woods bei. Dies begünstigte das Umfeld des besonders in Deutschland virulenten Terrorismus, aber angesichts der hilflosen Reaktionen etwa auf die Anti-Kernkraft-Demonstrationen auch die Grünen. Sämtliche etablierten Parteien wußten kein Heilmittel. Gegen die Demonstranten setzte man voll die staatliche Gewalt ein. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sollten mit Wirtschaftswachstum bekämpft werden. Dahrendorf dazu: "Es sieht so aus, als ob von einem bestimmten Punkt an die fröhliche Spirale - technischer Fortschritt - Ersetzung menschlicher Arbeit - Schaffung neuer Möglichkeiten der Arbeit - weiterer technischer Fortschritt usw.- nicht mehr funktioniert"(104) und: "Den Verantwortlichen fallen nur die Lösungen von gestern ein".
Dennoch scheint sich in Deutschland mit der sozial-liberalen Koalition etwas im Bewußtsein der Bürger verändert zu haben. Das zeigt sich etwa an der Wahl von 1980, zu der der amerikanische Historiker Craig schreibt: "Bei der Wahl entschieden sie (die Deutschen) sich für Helmut Schmidt und gegen Franz Josef Strauß. Gegen Strauß votierten sie, weil sie seine Verletzung demokratischer Prinzipien in der Spiegel-Affäre von 1962, seinen zu militanten Ruf als Verteidigungsminister, die Irrationalität seiner Angriffe gegen die Ostpolitik und seinen Versuch nicht vergessen hatten, die Sozialdemokraten zu einer Partei von Verrätern abzustempeln. Sie entschieden sich für Schmidt wegen dessen sichtbaren Leistungen in der Außenpolitik, wegen seiner sozialen Reformen und seines Erfolgs bei dem Bemühen, sowohl die Inflationsrate wie die Arbeitslosenquote auf einer Ebene zu halten, die bei den Briten und den Amerikanern neidvolle Aufmerksamkeit erregte"(105).
2. Neue Tendenzen
Bei den herrschenden Mehrheitsverhältnissen konnte in der Stadtvertretung von einer sozialliberalen Koalition keine Rede sein. Aber teilweise bildete sich etwas wie eine Allparteienkoalition, manchmal auch nur eine Mehrheit quer durch die Fraktionen in bestimmten Fragen.
Im Jahre 1977 stellte beispielsweise der Regierungspräsident die Förderung eines Freibads mit einem Zuschuß bis zu 80% in Aussicht. Allerdings sollte es nicht ein großes, wie das mit rund 2,8 Mio DM geplante, sein. Besser sei die Verbindung mit einer Freizeitanlage im Bereich des Hallenbades. Die SPD hatte sich schon im Interesse des Fremdenverkehrs seit langem für ein Freibad eingesetzt, da das Lehrschwimmbecken nicht mehr reparaturwürdig war. Die Mehrheit der CDU, an ihrer Spitze der Fraktionsvorsitzende Erwin Schmiedeler, votierte nach hitziger Diskussion gegen das Freibad. SPD, Zentrum und acht CDU-Stadtvertreter einschließlich des Bürgermeisters Langen befürworteten es jedoch(106). Eine ähnliche Koalition zwischen der SPD und der Minderheit der CDU gab es 1981/82 bei der Ausschreibung der Stelle und anschließenden Wahl des Stadtdirektors(107).
Im Verlaufe der 70er Jahre kamen sich CDU und SPD im Rat trotz aller Differenzen und allen parteipolitischen Geplänkels in den Grundanliegen der Medebacher Politik näher. Schon 1975 enthielten sich die SPD-Stadtvertreter bei der Wahl des neuen, von der CDU vorgeschlagenen Bürgermeisters Langen ("Güla") der Stimme, noch nicht ganz sicher, ob er für eine offenere Haltung und eine neue Stadtentwicklungspolitik tatsächlich eintreten werde. Nach der Wahl 1979, die der SPD eine Verdoppelung der Mandate auf acht erbrachte, stimmte sie für seine Wiederwahl(108). Auch in den Haushaltsberatungen stellte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit ein. Hatte es noch 1976 eine Kontroverse wegen nicht ausreichender Finanzplanung gegeben, lobten 1979 die Haushaltssprecher Sternemann (CDU) und Reinold (SPD) die gute Zusammenarbeit bei der schwierigen Aufstellung und Beratung des Haushalts(109).
Bereits zu Beginn der 70er Jahre kamen die schwerwiegenden Probleme einer Erneuerung der Infrastruktur in der Großgemeinde Medebach zur Sprache. Die Wasserleitungen im gesamten Stadtgebiet, größtenteils aus den 20er Jahren stammend, waren inkrustiert und bedurften einer grundlegenden Revision. Außerdem reichten die stadteigenen Brunnen für die Versorgung nicht aus, eine Anbindung an Hessen zur Sicherstellung des Wasserangebots wurde erforderlich. Von einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung konnte keine Rede sein. Die Hälfte aller Abwässer floß ungeklärt in die Wasserläufe. Die Ortsdurchfahrten mußten ausgebaut werden. Eine Sanierungs- und Entwicklungsplanung für die Kernstadt forderten schon 1970 der SPD-Fraktionsvorsitzende, Reinold, und der Ortsvorsteher von Oberschledorn, Bergenthal. Ohne die Aufstellung eines Flächennutzungsplans und daraus zu entwickelnder Bebauungspläne war dies nicht möglich. Die sich vergrößernden Betriebe Asmuth (Düdinghausen), Becker, Brass und Mütze (Oberschledorn) brauchten neue Gewerbeflächen. Für Medebacher Betriebe und Industrieneuansiedlungen sollte am Holtischen Weg ein Gewerbegebiet geschaffen werden. Gleichzeitig standen Probleme der Schulhauserweiterung mit Turnhalle und Hallenschwimmbad an, um auch insoweit ein zeitgemäßes Wohnumfeld zu schaffen. Dazu gehörten auch die Umwandlung des Krankenhauses in ein Alten- und Pflegeheim, die Schaffung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung, eine Sozialstation, die Einrichtung weiterer Kindergärten und Jugendräume, der Bau von Sportplätzen und die Abfallbeseitigung(110). Parallel dazu sollte entsprechend den Plänen der Landesentwicklung in einer Arbeitsgemeinschaft mit den Städten Winterberg und Hallenberg die Aufstellung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans für den Südkreis Brilon in Angriff genommen werden. Dabei war darauf zu achten, daß im Rahmen der - 1975 dann durchgeführten - kommunalen Neugliederung Medebach seine Selbständigkeit erhalten und dem Mittelzentrum Winterberg widerstehen konnte, zumal Pläne einer Großgemeinde Winterberg unter Einschluß von Medebach und Hallenberg kursierten.
3. SPD und Stadtdirektor
Um diese umfangreichen Aufgaben zu bewältigen, bedurfte es bei den Beteiligten in Bürgerschaft, Rat, Verwaltung und Parteien einer Aufgeschlossenheit und Beweglichkeit, die nicht ohne weiteres vorauszusetzen war. In den Mitgliederversammlungen des SPD-Ortsvereins Medebach wurden diese Probleme heiß diskutiert, die zögerliche Haltung der alten CDU-Garde und des Stadtdirektors kritisiert(111). Man hatte auch den Eindruck, insbesondere bei der Industrieansiedlung und der Ausweisung des Gewerbegebiets Holtischer Weg werde zu sehr auf Sonderinteressen bestimmter einheimischer Firmen gegen etwaige Konkurrenz Rücksicht genommen. Deshalb wurde später auf Antrag der SPD-Fraktion ein Sachverständiger mit der Überprüfung beauftragt, der solche Verhaltensweisen in einem Bericht heftig kritisierte(112). Schon früh kam die SPD daher zu der Überzeugung, mit dem 1970 wiedergewählten Stadtdirektor Hausmann werde sich die Erneuerung der Medebacher Infrastruktur schwierig gestalten.
Damit stand die SPD nicht allein. Schon das Abstimmungsergebnis von 1970(113) deutete Unmut auch in den Reihen der CDU-Fraktion an. Eine beachtliche Minderheit der Stadtvertretung glaubte nicht mehr, der Stadtdirektor sei der geeignete Mann, die sich andeutende neue Stadtentwicklungspolitik seitens der Verwaltung mit dem nötigen Nachdruck und Geschick gegenüber Regierungspräsident und Landesregierung durchzusetzen. Diese Situation verschärfte sich nach der Wahl Langens zum Bürgermeister. Er schien mit dem Stadtdirektor nicht sonderlich zu harmonieren. Hinzu kam ein persönliches Zerwürfnis mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Reinold wegen unberechtigter Anwürfe seitens des Stadtdirektors(114).
Die Amtszeit des Stadtdirektors Hausmann endete am 30.4.1982. Er bemühte sich um Wiederwahl, SPD-Fraktion und eine Minderheit der CDU-Fraktion setzten jedoch die Ausschreibung der Stelle durch und wählten schließlich am 23.3.1982 Heinrich Nolte zum neuen Verwaltungschef. Um überhaupt eine Neuwahl zu ermöglichen, hatte sich die SPD damit einverstanden erklärt, auch ein CDU-Mitglied mitzuwählen, sofern es möglich schien, mit diesem sachlich zusammenzuarbeiten. Diese Hoffnung hat sich später leider nicht erfüllt(115).
4. SPD-Vertreter im Rat
Im Laufe der 70er Jahre ist es der SPD gelungen, ihren Einfluß auf die Geschicke der Stadt erheblich zu steigern. Einige Gründe dafür sind schon genannt worden. Bei der Kommunalwahl vom Herbst 1969 hatte sie nur 15,2% der Stimmen erreichen können - gegenüber 67,2% für die CDU und 17,6% für das Zentrum. Das waren 3,9% weniger, als bei der vorhergehenden Bundestagswahl am 28.9.69 für die SPD abgegeben worden waren. Es entsprach aber dem üblichen Stimmenanteil, der auch bei der Landtagswahl am 14.6.1970 bei nur 15,6% lag. Besonders in den Ortschaften konnte die SPD nur wenige Stimmen gewinnen. Beachtlich war jedoch, daß Jürgen Reinold, seit 1968 Vorsitzender des Ortsvereins, in seinem Wahlbezirk bereits 30,8% der Stimmen erhielt (bei der 75er Wahl 35,06%). Reinold verdankte bereits diesen Anfangserfolg seinem unermüdlichen Einsatz für seine Mitbürger. Es dauerte aber noch 20 Jahre, bis er bei der Kommunalwahl 1989 seinen Mitbewerber von der CDU schlagen und als erster direkt gewählter Vertreter der SPD in den Rat einziehen konnte
Geboren wurde Jürgen Reinold als Sohn eines dorthin dienstverpflichteten Lehrers am 19.3.1936 in Lötzen (Ostpreußen). Tatsächlich kam seine Familie jedoch aus dem Bereich Dortmund - Holzwickede. Nach Schreiner- und Maurerlehre mit Abschluß in beiden Berufen studierte er in Höxter und kam 1960 als frisch examinierter Architekt nach Medebach. Der SPD trat er 1965 bei und wurde nach der 69er Wahl Vorsitzender der dreiköpfigen SPD-Fraktion im 19 Männer starken Rat(116). Daneben war er von 1969 bis zur Neugliederung 1974 Mitglied des Kreistages Brilon. Fraktionsvorsitzender im Rat ist er 1994 immer noch, den Ortsvereinsvorsitz hat er jedoch bereits 1980 abgegeben. Zunächst als angestellter Architekt im Architekturbüro Heinz Köster tätig, wurde er dort in den 80er Jahren Mitinhaber. Schon vor seiner ersten Wahl hatte sich Reinold im Streit um die Konfessionsschule für die christliche Gemeinschaftsschule eingesetzt und damit Erfolg gehabt. Seitdem galt sein Hauptaugenmerk der Stadtplanung, der Ausweisung von Bauland und dem Ausbau der Kanalisation sowie der Industrieansiedlung. Er war es, der erstmals Interessenten für den Bau eines Ferienparks - der jetzt vollendet werden soll - nach Medebach brachte.
Mit Reinold zogen nur noch zwei weitere SPD-Vertreter in den Rat ein. Der eine war Dr. Heino Becker, praktischer Arzt, geboren am 4. 6. 1905 in Köln, 1945 von Berlin nach Medebach gekommen. Becker war Kunstliebhaber, seine Frau erteilte Musikunterricht in Winterberg. Unerwartet starb Dr. Becker am 9. 3. 1973.
Bei dem anderen handelte es sich um den Arbeiter Hubert Schütte aus Küstelberg, geboren am 22. 4. 1935. Am 8. 2. 70 war er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Ortsvereins, einige Tage danach am 19. 2. 70 zum Ortsvorsteher in Küstelberg gewählt worden. Aus nicht ganz geklärten Gründen trat Schütte im Sommer 1973 aus der SPD aus und nahm sein Mandat zur CDU mit, obwohl er natürlich nur über die Liste der SPD in den Rat eingezogen war. Die CDU weigerte sich auch, die von Schütte für die SPD eingenommenen Ausschußsitze umzubesetzen(117).
Nachfolger von Dr. Becker wurde im Rat Arnold Conzen, geboren am 8. 8. 1919 in Medebach. Er gehörte der Stadtvertretung bis 1979 an. Als Angestellter leitete Conzen die Geschäftsstelle des Grundbuchamtes beim Amtsgericht Medebach.
Zur Kommunalwahl am 4.5.75 trat die SPD in Medebach mit einem Programm an, das mehr Demokratie in der Stadtpolitik forderte. Dies bezog sich nicht zuletzt auf undurchsichtige Eigenmächtigkeiten in der Verwaltungsspitze(118). Die SPD verlangte daher eine stärkere Kontrolle durch den künftigen Rat. In diesem wollte sie sich für eine saubere Umwelt, den Bau und Ausbau von Kläranlagen und Kanalisation einsetzen. Mit einem für alle offenen Bürgerhaus sollten Jugend und ältere Mitbürger eine Begegnungsstätte erhalten. Einen Bebauungsplan für die Stadtmitte im Rahmen der städtebaulichen Sanierung, dazu die Schaffung besserer Einkaufsmöglichkeiten und den Ausbau der Straßen nannte das Programm als vordringliches Ziel der Stadtentwicklung. Für den Fortbestand des gefährdeten Krankenhauses und eine ausreichende ärztliche Versorgung wollte die SPD eintreten. Bei einer gut besuchten Wahlveranstaltung der Partei am 15.4.75 im Medebacher Kolpinghaus versprach der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister Werner Figgen, sich angesichts der schwierigen topographischen Lage Medebachs mit diesem Problem zu befassen und eine befriedigende Lösung anzustreben. Die Frage einer Neuorganisation der Krankenhäuser stand damals auch auf dem SPD-Wahlparteitag des neugebildeten Hochsauerlandkreises an. Mit seinen Anträgen, die auf ausreichende ärztliche Versorgung des ländlichen Raumes und zumutbare Wege zu weiterführenden Schulen zielten, vermochte sich der Medebacher Ortsverein dort aber nicht durchzusetzen.
Bei dieser 75er Wahl konnte die SPD in Medebach ihren Stimmenanteil nur unwesentlich auf 17,0% steigern (in der Kernstadt: 23,3%), obwohl sie auf Kreisebene 32,7% und auf Landesebene 45,1% gewann. Die CDU mußte einen Rückgang in Medebach von 4% hinnehmen und kam auf 63,2 %, das Zentrum auf 19,8 %. Damit stellten in dem von 19 auf 27 Mitglieder vergrößerten Rat die CDU 18, das Zentrum 5 und die SPD 4 Vertreter. Dies waren Jürgen Reinold, Arnold Conzen und als Neulinge Franz Josef Föhrer und Ekkehard Habel.
Franz-Josef Föhrer stammte aus Sundern, wo er am 7. 11. 1934 geboren wurde. Seinen Beitritt zur SPD hatte er erst kurz vor der Wahl erklärt. Nach Medebach war er als Leiter der VEW-Betriebsstelle gekommen. Im Rat blieb er für die SPD bis 1984. Anschließend trat er aus der Partei wieder aus. Das mag mit Auseinandersetzungen um den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage in Wangershausen zu tun gehabt haben. In dieser Frage war der Ortsverein nicht einheitlicher Meinung, Föhrer fühlte sich mit seinem Eintreten für die WAA möglicherweise nicht ausreichend unterstützt(119).
Ekkehard Habel ist am 27.11.1939 in Neustadt/Oberschlesien geboren worden. Nach dem Krieg wurde er mit seiner Familie vom väterlichen Hof vertrieben und kam 1946 nach Niedermarsberg. Er studierte in Bonn und München Jura und Geschichte, war dann zunächst in Bayern, wo er 1965 in die SPD eintrat, und 1968/69 in Bochum und Arnsberg Richter. Die Leitung des Amtsgerichts Medebach übernahm er 1969, Ende 1989 die des Amtsgerichts Brilon. Dem Rat gehörte er bis 1989, dem Kreistag von 1975 bis 1984 an. Nicht von allen politischen Gegnern geschätzt wurde seine manchmal recht scharfe Art in Diskussionen, die - etwa in Artikeln des rotdorn - recht bissig sein konnte(120).
Ihren bisher größten Erfolg in Medebach erzielte die SPD bei den Kommunalwahlen am 30.9.1979. Hatten drei Monate zuvor bei den Europawahlen nur 16,5% für die SPD, aber 79,3% für die CDU gestimmt, erhielt die SPD nun 29,8%, eine Steigerung um 12,8% gegenüber der Wahl 1975. Zwar erreichte auch die CDU einen höheren Stimmenanteil, nämlich 70,2%. Das ist jedoch zu relativieren, weil das Zentrum, 1975 noch bei 19,8%, nicht mehr antrat. Seine Ratsmitglieder waren zur CDU übergewechselt. Von ihren Mandaten konnten sie aber nur eines mitnehmen. Die anderen vier fielen an die SPD. Über die Gründe mag man spekulieren: war es eine Anerkennung der von der SPD geleisteten Arbeit(121), waren Zentrumswähler sowieso Protestwähler oder hatte die CDU endgültig ihren Sättigungsgrad erreicht? Als Stütze der Protestwählerhypothese reicht wohl nicht der Umstand aus, daß die bei den Wahlen 1984 neu hinzugekommene FDP zwei Sitze gewann (wobei sowohl CDU wie SPD je einen an sie abgeben mußten). Dazu war der Gewinn der FDP zu gering. Mehr spricht dafür, daß die Bürger bei der 79er Wahl (jedenfalls auch) die von der SPD geleistete Arbeit würdigen wollten. Denn die für sie abgegebenen rund 30% der Stimmen machten fast 12% mehr aus, als die SPD im Jahr danach in Medebach bei den Wahlen zum Bundestag und zum Landtag gewinnen konnte.
Die acht Sitze im Rat nahmen Jürgen Reinold, Ekkehard Habel, Franz-Josef Föhrer, Konrad Schmidt, Wolfgang Müller, Klaus Kralemann, Gerd Nolten und Dietmar Bügler ein.
Konrad Schmidt wurde am 11.4.1936 in Medebach geboren. Er arbeitet als Dreher bei einer der größten Aufzugsfabriken Deutschlands, der Medebacher Firma Paul Schmidt, und ist dort seit langem Betriebsratsvorsitzender. Über seine gewerkschaftliche Arbeit in der IG Metall stieß er 1975 zur SPD. Nach seiner ersten Wahlperiode von 1979 - 84 gehört er seit 1989 erneut dem Rat an. Zwischen 1976 und 1988 hat er verschiedene Funktionen im Ortsverein wahrgenommen, war auch dessen stellvertretender Vorsitzender.
Wolfgang Müller, geboren am 30. 9. 1946 in Lemgo, ist Sonderpädagoge, war zur Zeit seiner Wahl aber noch Lehrer an der Hauptschule Medebach. Der SPD ist er 1977 beigetreten, vertrat sie von 1979 - 84 im Rat und gehörte zeitweise als Jugend- und Bildungsobmann dem Ortsvereinsvorstand an. Wegen der Schulpoitik des Landes verließ er 1992 die SPD.
Klaus Kralemann, geboren am 19.3.44 in Bielefeld, hatte nach Beendigung seiner Tätigkeit als Zeitsoldat bei der Bundesmarine Pädagogik studiert und eine Anstellung als Lehrer an der Medebacher Hauptschule erhalten. In die SPD war er 1976 eingetreten. Mit dem Leiter der Hauptschule allerdings hatte er deshalb Schwierigkeiten (vgl. Anmerkung 203). Manchmal etwas bizarre Züge nahm seine Auffassung an, wie die Tugend der Sparsamkeit zu definieren sei. Zur Zeit ist er Lehrer an der Medebacher Grundschule.
Gerd Nolten, geboren am 2. 4. 1937 in Medebach, arbeitete als Dreher bei der Fa. Battenfeld in Oberschledorn. Der SPD trat er 1975 bei. Zusammen mit seiner Frau machte er sich dann selbständig und führte das Hotel van Dyck in der Niederstraße, das prompt zum "roten Eck" umgetauft wurde. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er sich schließlich ins Rentnerdasein zurückziehen, das ihm Zeit für sein Hobby, das Segeln, läßt. Ende der 80er Jahre beendete er seine Mitgliedschaft in der SPD.
Auf dem achten Platz der SPD-Liste zog Dietmar Bügler, geboren am 25. 1. 1943 in Breslau, in den Rat ein. In Hamm hatte er mehrere Jahre als Bergmann gearbeitet und war 1965 in die SPD eingetreten. Ende der 60er Jahre wechselte er seinen Beruf und arbeitete für eine Bochumer Firma am Bau von Hochspannungsleitungen mit. Dabei lernte er Medebach kennen und zog 1970 hierher. In Karlsruhe ließ er sich anschließend zum Informationselektroniker ausbilden und war seitdem für eine Firma tätig, die Zahnarztpraxen ausrüstete. Als Nachfolger Reinolds wurde er 1980 zum Vorsitzenden des Ortsvereins gewählt und blieb dies bis 1988. Mitglied der Stadtvertretung war er ununterbrochen von 1979 bis 1992, ab 1984 auch Mitglied des Kreistags. Seine Parteimitgliedschaft hat er sehr ernst genommen. Wer ihn zu nehmen wußte, konnte auch sein manchmal etwas hitziges Wesen beruhigen. Nach der Einigung Deutschlands nahm er das Angebot an, seine Arbeit in den Raum Magdeburg zu verlagern.
5. Stadtentwicklung
Wesentliche Herausforderungen für eine neue Kommunalpolitik sind bereits herausgestellt worden. Die Erneuerung der in der Vergangenheit teilweise vernachlässigten Infrastruktur der Großgemeinde bedurfte einer gewaltigen Anstrengung. Sie mußte zudem mit der Landesentwicklungsplanung abgestimmt werden. Deren Tendenzen zu einer Konzentration auf Entwicklungsschwerpunkte, die die Medebacher Selbständigkeit gefährden konnten, mußten abgewehrt werden. In diesem Punkte wandte sich der Ortsverein auch ausdrücklich gegen die von der SPD gestellte Landesregierung(122).
Das konnte nur über eine stimmige eigene städtische Entwicklungspolitik geschehen. Dazu gehörte zunächst die Aufstellung eines Flächennutzungsplanes (und die Ausarbeitung eines Landschaftsrahmenplans)(123) als Grundlage, gefordert schon vom 1960 in Kraft getretenen Bundesbaugesetz. Lediglich für die Kernstadt galt der alte Bauleitplan fort, auch die Ortsteile mußten nun einbezogen werden. Parallel dazu sollte ein gemeinsamer Flächennutzungsplan für den Südkreis Brilon, also die Ämter Winterberg und Hallenberg und die Stadt Medebach, erarbeitet werden. Die Stadt trat dieser Planungsgemeinschaft 1971 bei(124). Schon bald stellten sich jedoch Schwierigkeiten heraus. Diese Planungsgemeinschaft mit ihren Problemen, unterschiedliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen, behinderte den Fortgang der eigenen Planungen. Auf Grund der Beschwerden des Rates über den fehlenden Fortschritt sagte der Oberkreisdirektor zu, der gemeinsame Plan werde Ende 1974 fertig sein. Das stellte sich aber als unerfüllbar heraus, die Schwierigkeiten waren letztlich nicht zu überwinden. Ein erster Beschluß der Stadt vom 6.12.72, aus der Planungsgemeinschaft auszutreten, war nicht ausgeführt worden. In den folgenden Jahren drängte vor allem die Ratsfraktion der SPD immer wieder auf den Vollzug des Austritts, um endlich mit der eigenen Planung weiterzukommen. Die SPD nahm diesen Punkt auch in ihr Wahlprogramm von 1975 auf, hatte damit aber erst 1979 endlich Erfolg(125). Die Fertigstellung des Medebacher Flächennutzungsplanes wurde damit endlich ermöglicht.
Trotz des noch fehlenden Flächennutzungsplans beschloß die Stadt schon Ende der 60er Jahre, vermehrt in den 70ern, die Aufstellung einer ganze Reihe von Bebauungsplänen. Dazu zählten der Gelängeweg, Wissinghausen, Düdinghausen "In der Bracht" und Gewerbegebiet (Aussiedlung Asmuth). Im September 1971 wurde endlich der Bebauungsplan "Gelängeweg" genehmigt. Es folgten die entsprechenden Beschlüsse für die Bebauungsplanverfahren Brüggerweg, Gewerbe- und Industriegebiet Holtischer Weg, Krämershagen, Ferienhausgebiet Berge, Deifeld, später auch Stadtmitte und Marktplatzbereich, die Teilpläne für Ober-, Nieder- und Österstraße sowie die vielen Änderungen von Bebauungsplänen wie Klapperhaus, Weddel, Sonnenhang und In der Schla in Küstelberg(126). Fast in jeder Sitzung mußte sich der Rat mit diesen Plänen, ihren Änderungen, den zugehörigen Satzungen und ähnlichen Fragen befassen. Bis zur Genehmigung eines Bebauungsplanes ist es ein weiter Weg: Über 30 "Träger öffentlicher Belange" wie Wasserwirtschaftsamt, Landesstraßenbauamt, Post, VEW usw. sind zu hören, über Anregungen und Einwendungen ist zu beschließen. Wird dabei ein wesentlicher Punkt verändert, geht das ganze Verfahren mit öffentlicher Auslegung und Anhörung von neuem los. Verwaltung und Stadtvertreter konnten dies nur als eine Sisyphusarbeit empfinden, die besonders ärgerlich war, wenn eine Formvorschrift von der Verwaltung übersehen worden war(127). Nach 1975 kamen hinzu die Bebauungspläne Oberstraße/Hardststraße, in Düdinghausen Auf der Egge und Weddel, in Oberschledorn Hinter der Schule, in Dreislar Auf dem Scheid. Reinold hatte schon 1973 auch die Aufstellung von Bebauungsplänen für die Ortsteile gefordert(128).
Beispielhaft für die Arbeit ist eine Liste der Aktivitäten des Planers für den Brüggerweg, die dem Sitzungsprotokoll vom 13.1.78 beigefügt wurde. Der Aufstellungsbeschluß für diesen Bebauungsplan datierte aus dem Jahre 1971. Die Liste führt allein von 1973 bis 1977 34 Punkte auf, die von der Verwaltung um weitere acht für 1976/77 ergänzt wurde. Es ging um die Abstimmungen zwischen Planer und Stadt, mit anderen Behörden, Planänderungen, Stellungnahmen, neue Überarbeitungen usw. Damit sollte der ständigen Kritik im Rat über das zögerliche Verfahren begegnet werden.
Für die Baugebiete Brüggerweg und In der Schla mußten Umlegungsverfahren durchgeführt werden. Daneben waren die Erschließungsbeitragssatzungen nach BBauG und KAG zu behandeln, auf Antrag der SPD auch eine Bauabgrenzungssatzung, eine Stellplatzverordnung und eine Satzung über den Einwendungsausschluß bei Verletzung von Formvorschriften. Vorgeschrieben wurden den Bauwilligen bestimmte Gestaltungen ihrer Häuser und Grundstücke. So hieß es, nur Klinker aus Kalksandstein oder in bräunlichem Ton seien zulässig. Der Antrag von Habel, den Bürgern hier mehr Freiheit zu lassen, wurde abgelehnt. Ähnlich einschränkend hatte sich der Rat bereits bei der Ausarbeitung der Friedhofssatzung durch den "Rechtsausschuß" N. Schäfer (CDU) und Habel (SPD) verhalten(129).
Ohne den Ausbau der Straßen, der Wasserleitung und der Kanalisation wäre die Aufstellung der Bebauungspläne sinnlos gewesen. Die Stadtvertretung beschäftigte sich deshalb Anfang der 70er Jahre mit dem Generalverkehrsplan für die Hauptdurchgangsstraßen, einer Strukturanalyse der Ingesta, einer Fremden-verkehrsanalyse(130). Die Ortsdurchfahrten in Kernstadt und Ortsteilen wurden ausgebaut (Referinghausen, Düdinghausen, Dreislar, Medelon), ebenso die Wohnstraßen in der Kernstadt. Ein erster Versuch zur Verkehrsberuhigung beim Ausbau der Hinterstraße gelang trotz anfänglicher Bedenken von Anliegern und Geschäftsleuten. Habel ermunterte in privatem Gespräch den Kreisplaner Birkner, die Verkehrsberuhigung vorzuschlagen, weil er befürchtete, eine von ihm ausgehende derartige Initiative werde abgelehnt werden. Die Landstraße über den Schloßberg erhielt 1977/78 eine Kriechspur. Gehwege waren zu schaffen. Das alles mußten auch die Bürger in unterschiedlicher Höhe mitbezahlen, Einsprüche gegen Heranziehungsbescheide zu den Ausbaukosten kamen in Fülle auf den Rat zu.
Die Wasserleitungen im gesamten Gebiet der Großgemeinde waren dringend reparaturbedürftig. Es konnte passieren, daß man seinen morgendlichen Duschvorgang abbrechen mußte, weil in den Ställen gerade die Wasserleitungen zum Viehtränken geöffnet wurden. Auch unter Wassermangel litt die Stadt. Wegen der schadhaften Leitungen betrugen die Wasserverluste noch 1977 56%, wobei 15 - 20% als normal angesehen worden wären(131). So vergab der Rat schon 1971 den Auftrag zur Erstellung eines Wasserversorgungsplans für die Grafschaft. Das Ingenieurbüro Gröticke stellte diesen Plan, der den Anschluß an das Verbundnetz des Wasserverbandes Upland vorsah, noch im selben Jahr fertig, die notwendigen Verträge wurden abgeschlossen(132). Bereits 1971 konnte die Stadt durch einen Vertrag mit dem Wasserverband Eisenberg die Versorgung der Kernstadt mit Medelon und Berge sicherstellen. Vorgesehen und später verwirklicht war der Anschluß sämtlicher Teile der Stadt an ein einheitliches Verbundnetz(133). Die Erneuerung der Wasserleitungen und die Versorgung erforderten erhebliche finanzielle Mittel von einigen Millionen DM, die, soweit nicht das Land Zuschüsse gewährt hatte, von den Bürgern über die Wassergebühren aufgebracht werden mußten. Der Erfolg, eine gesicherte Wasserversorgung und eine erhebliche Herabsetzung der Wasserverluste, stellte sich nach und nach ein. Dennoch beschloß der Rat mit den Stimmen der SPD die Beteiligung der Stadt an der Planung der Renautalsperre, um auch für die Zukunft vorzusorgen(134).
Eine der aufwendigsten Aufgaben stellte die Einrichtung einer Kanalisation für das gesamte Stadtgebiet dar, um die enorme Umweltbelastung zu verringern und nicht die meisten Abwässer ungeklärt in die Wasserläufe einzuleiten oder im Boden versickern zu lassen. Das Büro Gröticke erhielt 1972 den Auftrag, einen Generalentwässerungsplan zu erarbeiten, an dessen Vorlage Reinold immer wieder erinnern mußte. Denn ohne Ausbau der Kanalisation war mit einer Genehmigung der Bebauungspläne nicht zu rechnen. Er wurde schließlich im Dezember 72 vorgelegt(135). Vorhandene Kanalleitungen stammten vom Ende der 20er Jahre und waren zu ersetzen, für Medebach, die Grafschaft und Dreislar Kläranlagen bzw. Klärteiche zu schaffen. Im Zuge der durchgeführten Straßenbaumaßnahmen konnten auch die Kanäle verlegt werden, für die es aus Sonderprogrammen des Bundes und vom Land erhebliche Zuschüsse gab, die bis zu 80% der Kosten ausmachen konnten. Gröticke schätzte 1974 die Kosten auf insgesamt fast 17 Mio DM(136). Immer wieder drängte die SPD auf den Ausbau, weil zu befürchten stand, daß in absehbarer Zeit die Zuschüsse gekürzt werden würden. Gröticke hat die Kosten für die Kanalisation richtig geschätzt. Tatsächlich betrugen sie für die Zeit von 1974 bis 1992 17,3 Mio DM. Obwohl in den 70er Jahren schon sehr viele Kanäle verlegt und die Kläranlage Medebach gebaut war, wies das Investitionsprogramm für den Ausbau der Kanalisation allein schon in den Jahren 1980 - 83 einen erforderlichen Betrag von 14,3 Mio DM auf(137). Wie bei der Wasserversorgung waren und sind die durch Zuschüsse nicht gedeckten Kosten von den Bürgern über die Abwassergebühren aufzubringen. Deren Höhe in Medebach ist bekannt. Kein Wunder also, daß die SPD drängte, Zuschüsse nicht verfallen zu lassen.
In diesen 70er Jahren errichtete die Stadt zudem noch die Sekundarstufe I (Anbau des Gymnasiums an die Hauptschule), eine Dreifachturnhalle und ein Feuerwehrgerätehaus (Zuschüsse des Landes für diese Bauten fast 6 Mio DM). Für den Umbau des Krankenhauses schoß die Stadt 300.000,- DM, für den Bau eines weiteren Kindergartens 80.000,- DM zu. Reinolds Anrag, auch in Oberschledorn einen Kindergarten für die Grafschaft einzurichten, wurde zurückgestellt(138). Kleinere Maßnahmen wie der Bau von Friedhofskapellen und auf Antrag der SPD der Bau einer Sauna im Hallenbad(139) kamen hinzu. Die Versuche der SPD, die Sozialhäuser an der Hohoffstraße in einen menschenwürdigen Zustand versetzen zu lassen, schlugen fehl, der Ratsmehrheit waren die Kosten zu hoch(140). Ein Rasenplatz in Medebach, Sportplätze in Oberschledorn, Referinghausen und Deifeld, Tennisplätze wurden gebaut(141).
Das alles konnte die Stadt mit eigenen Mitteln nicht finanzieren. Allein in der Zeit von 1971 bis 1980 erhielt Medebach rund 75 Mio DM an Landeszuschüssen(142). Das lag weit über dem Durchschnitt, mit dem das Land in dieser Zeit Städte und Gemeinden förderte. Die Klage des Bürgermeisters, die sozialdemokratische Landesregierung bevorzuge das Ruhrgebiet und trockne die ländlichen Räume aus, wird man daher nicht als realistisch bezeichnen dürfen. Aber trotz dieser Förderung durch das Land mußte sich Medebach für seinen Eigenanteil hoch verschulden. Je Einwohner betrug die Schuldenlast 1974 noch 280,- DM, stieg aber bis 1980 auf 1.846,- DM an, also von 2 Mio DM auf über 13 Mio DM. Die Entwicklung läßt sich nachvollziehen an den Haushaltszahlen: 1971 sah der Haushalt für die Stadt im ordentlichen Teil noch Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 3,6 Mio DM, im außerordentlichen Teil in Höhe von 0,2 Mio DM vor; die entsprechenden Zahlen für den Haushalt 1980: 9,4 Mio DM im Verwaltungshaushalt (früher der ordentliche), 9,2 Mio DM im Vermögenshaushalt (früher der außerordentliche). Letztlich schloß der Haushalt 1980 sogar mit einem Fehlbetrag ab. Dennoch beschloß die CDU-Ratsmehrheit gegen den Widerstand der SPD (und des Kämmerers!) in dieser Situation die Herabsetzung der Gewerbesteuer(143).
VIII. Die achtziger Jahre
1. Die konservative Wende
Im Herbst 1982 wurde die Regierung Schmidt gestürzt, nachdem die FDP deutlich zu erkennen gegeben hatte, daß sie die sozialliberale Koalition nicht fortsetzen wollte(144). Auch innerhalb der SPD waren die Spannungen zwischen Helmut Schmidt und der Partei sowohl in Wirtschaftsfragen wie in der Sicherheitspolitik nicht zu übersehen. Nach außen dokumentierte sich dies besonders deutlich in der wachsenden Ablehnung der Nachrüstung. Die Sympathien der Jungen und Intellektuellen auf dem linken Flügel galten der von Schmidt scharf abgelehnten Friedensbewegung(145). Zwar unterstützte die Mehrheit der Deutschen die Linie Schmidts, nicht aber die Mehrheit in der SPD. Daneben fürchtete die Bevölkerung um den wirtschaftlichen Wohlstand, der durch die wachsende Staatsverschuldung bedroht schien. Schon immer traute man der CDU mehr wirtschaftliche Kompetenz als den Sozialdemokraten zu.
Inzwischen, Anfang der 90er Jahre, hat die CDU allerdings ihr früher hohes Ansehen als wirtschaftlich kompetent eingebüßt. Das Versprechen des Bundeskanzlers Helmut Kohl bei der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion der beiden deutschen Staaten 1990, niemandem werde es schlechter gehen, vielen aber besser, hat sich als leer erwiesen. Die Versuche, die Staatsverschuldung zurückzuführen, scheiterten schon wenige Jahre nach dem Amtsantritt der neuen Regierung. Zwischen 1982 und 1992 stiegen die Steuern und Sozialabgaben stärker als in den anderen Ländern der EG/EU, so daß inzwischen die Bundesrepublik nach Schweden und gleichauf mit Frankreich die zweithöchste Abgabenquote aufzuweisen hat(146).
Eine Finanzierung der deutschen Einheit allein über Kreditaufnahme erwies sich als unmöglich. Selbst wenn im Frühjahr 1990 der Umfang des wirtschaftlichen Zusammenbruchs im Osten noch nicht absehbar war, spätestens im Sommer 90 hätte die Bundesregierung die Warnungen seriöser Fachleute, allen voran der Bundesbank(147), ernst nehmen sollen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die deutsche Vereinigung waren schon deshalb nicht besonders gut, weil der notwendige industrielle Umbau in den 80er Jahren ausgeblieben war(148). Sofern der Bundeskanzler und "die von (ihm) geführte Bundesregierung" die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft überhaupt erkannt hatten, waren sie doch zum Gegensteuern außerstande. Denn wer als Berufspolitiker(149) seinen Erfolg vornehmlich in Wahlstimmen mißt, neigt zu kurzfristigem Denken und Handeln, während langfristige Perspektiven eher zurückgedrängt werden. Solches Verhalten führt letztlich dazu, das Fehlen von Konzepten durch oberflächlichen Aktionismus zu ersetzen. Man spricht Emotionen in der Bevölkerung an, weil deren Beeinflussung für die nächste Stimmabgabe wichtiger ist als die Lösung der eigentlichen Probleme.
Wären in der Euphorie der Vereinigung der beiden deutschen Staaten den Westdeutschen unter ehrlicher Darstellung der zu erwartenden Schwierigkeiten Opfer abverlangt worden, so wären sie vermutlich freiwillig erbracht worden. Der Kanzler jedoch dachte wohl mehr an die Wahl vom Dezember 1990. Als sich die Stimmung gegen Ausländer richtete, ist dieser Kanzler auf Grund seines in die Vergangenheit gerichteten Geschichtsbewußtseins den dumpfen nationalen Emotionen nicht entgegengetreten(150). Man wird ihn für die Folgen daher mitverantwortlich machen müssen. Die Gegenposition derjenigen Deutschen, die aus ihrer Geschichte gelernt haben, hat er dem von ihm wenig geliebten Bundespräsidenten von Weizsäcker überlassen(151). Die nationalen Ambitionen der Regierung Kohl erwecken bei vielen den Eindruck, sie seien nicht recht überlegt und erwüchsen aus einer Art Minderwertigkeitskomplex des "wir sind wieder wer und müssen deshalb den uns zustehenden Platz in der Welt einnehmen". Weshalb Deutschland dazu einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat braucht, der seinerseits dann wieder mit militärischem Engagement in aller Welt verbunden sein muß(152), bleibt dabei unerklärt.
Politik dieser Art ohne klar definierte Zielvorstellungen, in welcher Weise ein Sitz im Weltsicherheitsrat und Kriegseinsätze deutscher Soldaten in Afrika oder Kambodscha nationale Interessen befördern, erinnert eher an alldeutsche Vorstellungen. Die von Adenauer erreichte Westbindung Deutschlands wird hier unnötigen Gefährdungen ausgesetzt. Denn unsere Partner im Westen fragen sich nicht ohne Grund bereits, was Deutschland eigentlich bezweckt. "Man wird uns erst dann für berechenbar und vertrauenswürdig halten, wenn wir unsere Prioritäten klar definieren und kontinuierlich verfolgen; keine zu haben ... würde uns auch nicht geglaubt" (Weizsäcker)(153). In diesem Zusammenhang gewinnen die rechtsradikalen Ereignisse in Deutschland erst voll ihr gefährliches Gewicht. Beim Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Bündnisgebietes liegt die Vermutung nahe, eigentliches Ziel sei nicht humanitäre Hilfe, sondern der Nachweis, Deutschland sei wieder gleichberechtigt mit den anderen Staaten und damit kriegsführungsfähig (Egon Bahr). Daß die Regierung dieses Ziel nicht benennt, sondern hinter angeblichen UNO-Verpflichtungen verbirgt, ist zwar verständlich, fördert das Vertrauen in die Ehrlichkeit der Politik jedoch nicht. Beklagt sich die Union einerseits über angeblich zunehmende Kriminalität und Unsicherheit im Innern, erzeugt sie andererseits mit Bundeswehreinsätzen wie in Somalia Unsicherheit nach außen. Teilnahme deutscher Soldaten an Kriegen wie dem Golfkrieg, jahrzehntelang undenkbar, scheint plötzlich möglich.
Nicht verschwiegen werden darf jedoch, daß auch die SPD nicht immer glücklich agiert und damit vermutlich ebenfalls zur "Politikverdrossenheit" der Bürger beigetragen hat. Das zeigt sich schon daran, daß oft nicht etwa sie die Zustimmung der von der konservativ-liberalen Koalition enttäuschten Wähler erhalten hat, diese statt dessen vermehrt kleine Protestparteien wählten. Lafontaine mag gute Gründe für seine offenbare Ablehnung einer Vereinigung der deutschen Staaten gehabt haben, er hat mit seinen Warnungen vor den Folgen des Vertrages über die Wirtschafts- und Währungsunion auch recht behalten. Realistisch war solche Verweigerung aber nicht, weil sie die Macht des Vereinigungswillens unterschätzte. Statt seiner Verweigerung hätte Lafontaine richtigerweise ein Konzept für einen erschütterungsfreieren Vereinigungsprozeß vorlegen sollen. Erst recht unverständlich war seine anschließende Ablehnung, den Bundesvorsitz der Partei zu übernehmen. Das Taktieren der SPD in der Asylfrage mit dem Einschwenken auf einen verfassungsrechtlich bedenklichen Weg, den das Bundesverfassungsgericht bereits zu korrigieren beginnt(154), auch die unklare Haltung hinsichtlich des Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb des NATO-Gebiets(155), haben ihrem Ansehen eher geschadet.
Seit Antritt der konservativ-liberalen Koalition sind immer häufiger Fehlbeträge im Haushalt des Bundes durch Eingriffe in Sozialleistungen ausgeglichen worden. Als Beispiel seien die Arbeitslosen-, die Pflege- und die Krankenversicherung genannt. Die Bürger kritisieren dies immer deutlicher, zumal sie den Eindruck haben, ihnen würden, wie bei den Steuerreformen, Lasten nicht gleichmäßig, sondern einseitig zugunsten der Wirtschaft auferlegt(156). So ist seit 1982 das Unternehmereinkommen um ein Vielfaches gegenüber dem inzwischen real sogar sinkenden Arbeitnehmereinkommen gestiegen. Die SPD hat dies als "Umverteilung von unten nach oben" kritisiert, allerdings auch nicht konsequent an ihrer Politik festgehalten(157). Auch hier kommen daher die Verärgerung der Bürger und die Sorge vor einer Verschlechterung der Lebensbedingungen durch Wohnungsnot, Sozialabbau und drohende Arbeitslosigkeit nicht etwa der großen Oppositionspartei SPD zugute, sondern vor allem den Protestparteien, insbesondere den Rechtsradikalen. Daß, wie der Kanzler nicht müde wird zu behaupten, das größte innenpolitische Problem - die stetig wachsende Arbeitslosigkeit - durch längere Lebensarbeitszeit abgebaut werden könnte(158), stellt sich eher als intellektueller Kurzschluß dar. Während die konservativ-liberale Koalition "die Lohnhöhe zur alleinigen Schlüsselfrage der deutschen Volkswirtschaft hochstilisiert"(159) und damit die sogenannte "Standortfrage" beantworten will, hat die SPD nunmehr ein Wirtschaftsprogramm mit dem Ziel eines ökologischen Umbaus vorgelegt(160), das selbst nach Meinung von Wirtschaftsexperten der Koalition die wesentlichen Modernisierungsaufgaben besser benennt als das Standortpapier der Union. Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, daß die Koalition ihre Ideologie, Probleme mit den Lösungen von gestern (siehe VII. 1.) anzugehen, revidieren könnte(161).
Nicht sehr viel anders verhält es sich mit der Forderung Kohls nach einer moralischen Wende, verbunden mit der Klage, die durch die APO von 1968 geförderte Libertinage habe inzwischen zu einer vermehrten Gewaltkriminalität in Deutschland geführt. Dem will der Kanzler mit einer neuen Vermittlung konservativer Werte begegnen. Andererseits hat die konservativ-liberale Koalition zugunsten der Geschäftsinteressen einzelner Firmen privaten Hör- und Fernsehfunk zugelassen. Da die Privaten sich über Werbung finanzieren, also hohe Einschaltquoten brauchen, haben sie ihr Programm mit reißerischen Darstellungen gefüllt. Die Zunahme der Gewaltkriminalität dürfte wohl in hohem Maß auf die Darbietung von brutalen Gewaltszenen im Fernsehen zurückzuführen sein. Sie vermitteln vor allem den noch unfertigen und stark beeinflußbaren Jugendlichen den Eindruck, Gewalt gehöre ohnehin zum täglichen Leben, sie verhielten sich mithin normal, wenn sie solche Beispiele nachahmten. Diese katastrophale Folge war aus dem Beispiel der USA bekannt, wurde aber im Interesse des Geschäfts von dieser Koalition in Kauf genommen(162).
2. Belastungen im Rat
Daß im Bund seit 1982 eine konservative Regierung die Politik bestimmte, schien auch die CDU in Medebach zu ermutigen, ihre absolute Mehrheit konsequent gegen die SPD einzusetzen. Man sah sich offenbar im Trend politischer Meinung liegen, wenn man glaubte, auf die kleine sozialdemokratische Fraktion im Rat nicht mehr unbedingt Rücksicht nehmen zu sollen. Nachdem Mitte 1985 Werner Schmiedeler die Führung der CDU-Fraktion übernommen hatte, versuchte er, wie die SPD es sah, gemeinsam mit Bürgermeister und Stadtdirektor, die SPD an den Rand zu drängen. Die drei mochten einerseits die Opposition als überflüssig betrachten, andererseits als störend für die eigene Wirkung in der Medebacher Stadtpolitik. Da sie ihre eigene Fraktion im Griff zu haben glaubten, schien es ihnen lästig, daß die paar Leute der SPD-Fraktion sich widerborstig zeigten.
Wie schon im Abschnitt "Stadtentwicklung" (VII.5.) dargelegt, war die sozialdemokratische Ratsfraktion in Medebach (aber nicht nur sie) besonders verärgert über den schleppenden Fortgang der Bauleitplanung in den siebziger Jahren. Von einem neuen Stadtdirektor hatte sich der Rat eine spürbare Beschleunigung und Konzentration auf die städtebauliche Erneuerung erhofft. Jeder Kandidat für den Posten des Stadtdirektors war intensiv befragt worden, wie er sich dazu stelle, ob er mit der nötigen Energie auch gegenüber den Aufsichtsbehörden die Interessen Medebachs vertreten werde. Auch Herr Nolte versprach dies. Ob er mit dem nötigen taktischen Geschick Verhandlungen würde führen können, war konkret naturgemäß nicht überprüfbar. Hier mußte man sich auf die eingeholten Auskünfte verlassen (siehe Anmerkung 115).
Schon bald mußten die SPD-Stadtvertreter feststellen, daß man sich gerade hinsichtlich taktischen Geschicks und bestimmter Verhaltensweisen des neuen Stadtdirektors getäuscht hatte. Im Laufe der Zeit verfestigte sich der Eindruck, daß der Stadtdirektor einen einmal eingenommenen Standpunkt nicht mehr zu korrigieren bereit war. Jede weitere Diskussion wurde durch diese Haltung erheblich erschwert. Kritik an seiner Amtsführung verbat er sich, wobei er sich manchmal auch eines nicht gerade üblichen Stils bediente(163). Unerquickliche Dispute im Rat waren die Folge(164), zumal der Stadtdirektor für sich anscheinend auch in fachlichen Fragen, insbesondere in Bau- und Rechtsangelegenheiten, das letzte Wort beanspruchte.
Stärkere Beachtung in der Öffentlichkeit fanden Auseinandersetzungen über den Bau eines Stupa in Medelon(165), Landtagsanfragen(166) und das Hineintappen des Stadtdirektors in eine ihm von der Zeitschrift "Tempo" gestellte Falle über die Planung einer Art "Internierungs"lager für Aidskranke in Medebach(167). Zur Förderung der Stadt und ihrer Bürger haben diese Streitigkeiten nichts beigetragen. Bereits der "rotdorn" Nr. 11 vom 8.10.83 faßte die bisherigen Erfahrungen mit Stadtdirektor Nolte kritisch zusammen. Die an gleicher Stelle abgedruckte Stellungnahme des Stadtdirektors erscheint noch gemäßigt. Das Verhältnis zwischen Stadtdirektor und SPD verschlechterte sich dennoch in der Folgezeit. Trotzdem stimmte die SPD nach einigen Jahren der Höhergruppierung Noltes (entsprechend Regierungsdirektor) zu. Sie tat dies in der ausdrücklich erklärten Absicht, das Verhältnis zu entspannen. Honoriert wurde ihr dies aber nicht. Infolgedessen stimmte sie am 5.1.90 - erfolglos - gegen die Wiederwahl des Stadtdirektors auf weitere acht Jahre(168).
Hätte sich die Medebacher SPD mit der fehlenden Kompromißfähigkeit des Verwaltungschefs noch abfinden können, so doch nicht mit seinem nicht immer glücklichen Verhalten gegenüber Bürgern(169) und Behörden. Der Gran Dorado Ferienpark hätte das benötigte Gelände wohl kaum allein auf Grund des Verhandlungsgeschicks des Stadtdirektors erhalten können. Der Gemeinsinn betroffener Grundeigentümer versetzte in vielen Fällen die Stadt erst in die Lage, schließlich alle Grundstücke zu erwerben. Hier wie in Bebauungsfragen hat es wenig Sinn, auf die angeblich bessere Rechtsposition zu pochen und andere unter Druck zu setzen. Erst recht ist dies keine erfolgversprechende Methode gegenüber Aufsichtsbehörden. Die Ausweisung von Bauland und die Stadtsanierung, beides von der SPD immer wieder gefordert, vermochte der Stadtdirektor nicht wesentlich voranzutreiben. Sein Hauptinteresse galt offenbar dem Ferienpark. Bei aller Bedeutung dieses von der SPD initiierten Projekts durften aber nach ihrer Ansicht die übrigen Probleme der Stadt nicht als zweitrangig behandelt werden.
3. Die Ratsarbeit
Unter den veränderten Umständen seit 1982 litt die Arbeit im Rat erheblich. Heftige Auseinandersetzungen begleiteten häufig Beschlußfassung und Durchführung beabsichtigter Maßnahmen. Eigenwillige Vorgehensweisen des Bürgermeisters und der Verwaltung bestärkten die SPD-Ratsmitglieder in ihrem Verdacht, sie sollten so weit als möglich von ihrer Verantwortung in der Stadtvertretung ferngehalten werden. So interpretierten sie jedenfalls Versuche, einzelne unter Berufung auf behauptete Befangenheit von der Beratung auszuschließen(170). Der Stadtdirektor beschwerte sich auch immer wieder darüber, daß SPD-Vertreter sich Rat und Information auch von anderer Seite holten(171). Wenn Stadtvertreter aber ihre Informationen nur noch vom Bürgermeister oder Verwaltungschef erhalten würden, taugte der Rat nach Meinung der SPD nur noch zum Erfüllungsgehilfen der Stadtspitze ohne wirkliche eigene Verantwortung. Zu ihrem Bedauern mußte die SPD-Fraktion jedoch feststellen, daß ihre CDU-Ratskollegen - jedenfalls nach außen - dies anscheinend widerspruchslos hinnahmen(172).
Dieser Zustand hat sich zwar dem äußeren Eindruck nach geändert, weil die SPD-Fraktion Konfrontationen wenn möglich zu vermeiden trachtete. Nolte allerdings blieb bei seinen empfindlichen Reaktionen auf abweichende Meinungen und Vorschläge(173). Bezeichnend aus Sicht der SPD-Fraktion war seine Vorlage an den Stadtrat im Zusammenhang mit dem Erlaß von Abrundungssatzungen für Kernstadt und Ortschaften(174).
Schon 1984 hatte die SPD als Voraussetzung einer reibungslosen Arbeit die Einführung von Verwaltungsrichtlinien gefordert(175). Inzwischen hatte sie die Überzeugung gewonnen, daß dem Verwaltungschef das Delegieren von Arbeit außerordentlich schwerfalle. Die Vorstöße der SPD blieben erfolglos. Immerhin aber konnte eine gewisse Klarheit wenigstens für die Arbeit des Rates und seine Beziehungen zum Stadtdirektor durch Erlaß einer Zuständigkeitsordnung 1987 geschaffen werden(176).
4. Schwerpunkte
Heftigen Widerspruch rief eine Veränderung der bisherigen Bodenvorratspolitk im Jahre 1984 bei der SPD hervor. Um Bauwilligen preiswertes Bauland zur Verfügung stellen zu können, war bis dahin in allgemeiner Übereinstimmung versucht worden, zunächst möglichst viele Grundstücke durch die Stadt zu kaufen, bevor für das betreffende Gebiet ein Bebauungsplan aufgestellt wurde. Nun wollten Bürgermeister Langen und Stadtdirektor Nolte das Verfahren umkehren(177). Die Aufstellung der Bebauungspläne "Ringelfeld" und "Trift" wurde dennoch nicht weiterbetrieben, obwohl der Stadtdirektor in seiner Vorlage vom 8.6.84 noch erklärt hatte, hier handele es sich um "das neue Baugebiet für den Zeitraum von mehreren Jahren".
Betrachtet man insgesamt die Ergebnisse der Bauleitplanung seit 1982, sucht man vergeblich nach neuem Bauland. Soweit neue Bebauungspläne aufgestellt wurden, betrafen sie mit Ausnahme eines kleinen Gebietes hinter dem Rathaus vornehmlich schon bebaute Gebiete, die durch die Planung geordnet werden sollten, wie etwa "Bachstraße"(178). Zwar wurde 1985 ohne Bauleitplanung in die Erschließung des Gebietes Söhler in Medelon investiert(179), später auch der Beschluß über die Aufstellung des Bebauungsplans "Auf der Polter" in Referinghausen gefaßt. Dennoch war die Stadt 1990 schon nicht mehr in der Lage, genügend Bauplätze anzubieten. Ganze drei Plätze hatte sie noch am "Brüggerweg" zur Verfügung(180). Der Versuch, über Baulückenschließung weiterzukommen, hat keinerlei sichtbaren Erfolg gehabt. Damit ist ein wesentliches Ziel jeder Kommunalpolitik, ansiedlungswilligen Bürgern auch genügend Bauland bieten zu können, verfehlt worden.
Fortgeführt wurde in den 80er Jahren die Erneuerung von Straßen und Kanalisation. Nicht immer konnte sich die SPD mit ihrer Forderung durchsetzen, Straßen ohne Durchgangsverkehr möglichst preiswert, d. h. verkehrsberuhigt und ohne Bürgersteige auszubauen(181). Angesichts der hohen Anliegerbeiträge (in einem Fall über 80.000,- DM) darf es nicht verwundern, daß die Bürger nicht immer den oft aufwendigen Ausbau bezahlen wollten. Allein in den Jahren 1983 bis 1987 führte dies zu 116 Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Nur in 18,4% der Fälle konnte die Stadt einen vollen Erfolg gegenüber zahlungsunwilligen Bürgern verbuchen(182). Der Weiterbau der Kanalisation mit entsprechend erhöhten Abwassergebühren wurde bereits durch die Umweltschutzgesetzgebung erzwungen.
Einigkeit herrschte im Rat über die Notwendigkeit einer verbesserten Verkehrsanbindung Medebachs an das überörtliche Straßennetz. Gefordert wurde ein Straßenausbau nach Hessen, die Erneuerung der Verbindung von Küstelberg nach Deifeld, vor allem aber die Anbindung über Usseln nach Brilon zur Autobahn Paderborn-Bielefeld. Der Verwaltungschef wollte den Neubau einer Landstraße von Oberschledorn nach Ohlenbeck an der B 251 zwischen Korbach und Usseln erreichen. Düdinghausen hätte in diesem Fall nicht mehr an dieser Straße gelegen, protestierte deshalb heftig gegen diese Absicht. Das führte zu einer bitteren Kontroverse zwischen dem Düdinghäuser Stadtvertreter Lattrich (CDU) und dem Stadtdirektor. Die SPD-Ratsfraktion trat energisch für den allein realistischen Ausbau der bisherigen Landstraße an Düdinghausen vorbei ein, wobei vor allem die Kurven hinter Düdinghausen entschärft werden sollten(183). Diese Alternative ist dann letztlich vom Land auch akzeptiert worden.
Positiv zu vermerken ist, daß es der Stadtvertretung in den 80er Jahren gelang, mit erheblichen Zuschüssen vor allem des Landes Dorferneuerungsmaßnahmen in Düdinghausen, Deifeld, Berge, Referinghausen und Titmaringhausen anzugehen. Dadurch gelang auch eine Verbesserung der Infrastruktur für die Förderung des Fremdenverkehrs, eines auch in Medebach nicht unbedeutenden Wirtschaftszweiges. Insbesondere der Stadtdirektor versuchte, durch Überzeugung der Verkehrsvereine und schließliche Gründung einer Touristik-GmbH die Bedingungen für eine Fortentwicklung des Fremdenverkehrs zu verbessern. Unverständlich deshalb, daß die CDU-Fraktion (neben dem Feuerwehrausschuß(184)) auch den Fremdenverkehrsausschuß aufhob(185). Zwar führten die notwendigen Zuschüsse an die Touristik-GmbH immer wieder zu Debatten im Rat, an der grundsätzlichen Förderung dieser Gesellschaft bestand aber nie ein durchgreifender Zweifel.
Ebenfalls im Rahmen der Förderung des Fremdenverkehrs und der Stärkung der Wirtschaftskraft Medebachs vermochte der Rat nach Überwindung erheblicher Schwierigkeiten und mit Hilfe von Landeszuschüssen den Bebauungsplan für den Gran Dorado Ferienpark durchzusetzen. Die von der Stadt zu erbringenden Leistungen liegen zwar weit über der ursprünglich genannten Summe von 3 Mio. DM und nähern sich der 10-Mio.-DM-Marke, vor allem wegen der Sicherstellung der Wasserversorgung und der Ausgleichsmaßnahmen im Umweltbereich(186). Dennoch haben alle Ratsfraktionen letztlich sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt, um das Vorhaben zu realisieren. Mit Hilfe der SPD-Mehrheit im Bezirksplanungsrat konnte Medebach sich gegenüber Konkurrenten wie Brilon behaupten. Die SPD lud Minister Clement, dessen Familie aus Medebach stammt, zu einer öffentlichen Veranstaltung ein und brachte ihn mit dem Investor Dr. Frisch zum Gespräch zusammen(187). Das erfreuliche Ergebnis wird die für Sommer 1994 geplante Eröffnung des Ferienparks sein.
Nur noch kurz sollen weitere Aktivitäten im Rat und im Ortsverein der SPD erwähnt werden: Im Jahre 1986 hatte sich der Rat mit der Fortschreibung der Schulenticklungsplanung zu befassen. Am 2. 6. 86 beschloß der Schulausschuß gegen das Votum des Hauptschulleiters, die Absicht zur Einrichtung einer Oberstufe am Gymnasium in den Plan aufzunehmen(188). Die Verwirklichung scheiterte allerdings am Widerstand des Regierungspräsidenten, den die spätere Entwicklung wohl eher bestätigte. Gefahren zeigten sich schon 1988 für den Bestand der Hauptschule, 1991 sogar für den des Gymnasiums(189). Die SPD schlug daher die Zusammenfassung einer Haupt- und Realschule mit dem Gymnasium innerhalb des heutigen Schulzentrums vor, was im Schulentwicklungsplan von 1991 aber keinen Niederschlag fand.
Für die Unterbringung eines Museums gelang nach vielen früheren vergeblichen Bemühungen der Ankauf des Hauses Oberstraße 26. Dem hat die SPD zugestimmt. Nicht einverstanden zeigte sie sich allerdings mit dem Bau einer sogenannten "öffentlichen Begegnungsstätte" hinter dem Museum(190). Angesichts der schwierigen Finanzlage der Kommunen hatte sich die Medebacher SPD schon 1981 gegen den Neubau eines aufwendigen Kreishauses gewandt, weil dieser über die Kreisumlage durch die Gemeinden mitfinanziert werden mußte(191). Daß mit "öffentlicher Begegnungsstätte" eher ein Sitzungssaal für den Rat gemeint war (für den es keine Zuschüsse gegeben hätte), schien klar. Trotz fehlender ausreichender Eigenmittel und Vorhandenseins eines ausreichenden Raumes im Feuerwehrgerätehaus noch einen solchen Sitzungssaal zu bauen, hielt die SPD nicht für vertretbar. Nun steht aber dieser Sitzungssaal mit der offiziellen Bezeichnung "Hansesaal", SPD-intern genannt "der Thronsaal" (des Bürgermeisters).
Statt solcher Repräsentationsbauten hielt die SPD es für sinnvoller, Geld in Kindergartenplätze, vor allem in der Grafschaft, und für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz zu investieren(192). Den Versuch von CDU und FDP im Jahre 1986, die Aufwandsentschädigung für Ratsmitglieder anzuheben, wehrte die SPD erfolgreich ab. Statt dessen wurden auf ihren Antrag zwei Ausbildungsplätze geschaffen. Der Oberschledorner Kindergarten folgte allerdings erst einige Jahre später.
Im Ergebnis erfolglos waren die Bemühungen der SPD, der Medebacher Jugend Räume für ihre Aktivitäten zu bieten oder mit einer "Kleinen Offenen Tür" Jugendarbeit zu betreiben. Der Kultur- und Jugendausschuß schob die Sache auf die lange Bank. Auch der Jugendraum in der alten evangelischen Schule ist keine dauerhafte Einrichtung geworden(193).
Im Auftrag der SPD-Fraktion beschäftigte sich vor allem Bügler mit Fragen des Umweltschutzes und der Müllbeseitigung. In der Folge beantragte die SPD, auch im Hinblick auf die steigenden Deponiegebühren des Kreises, getrennte Mülleinsammlung und Aussortierung wiederverwertbarer Abfälle vorzusehen(194). Aus dieser Initiative entstand - in diesem Fall mit Unterstützung des Stadtdirektors - kurz darauf der Plan, das Müllaufkommen durch eine Kompostierungsanlage zu verringern(195). Später kam es auf Grund dieser Bemühungen zur Errichtung einer Kompostierungsanlage in größerem Rahmen in Brilon.
Auf Antrag Hiemers, der in einer grundsätzlichen Rede(196) die schlechte Versorgung des Medebacher Raumes im Rettungswesen, die lange Zeit zwischen Alarmierung und Eintreffen des Rettungsdienstes und das Herausdrängen der Fa. Hegel aus dem Rettungskonzept des Kreises bemängelte, verabschiedete der Rat einstimmig einen Antrag an den Kreis, in Medebach eine ständig besetzte Rettungswache einzurichten.
Eine Fragebogenaktion des rotdorn Ende 1985(197) erbrachte Kritik der Einsender: an den schlechten Busverbindungen morgens und abends, am Fehlen eines Freibads, an zu geringem schulischen Angebot, am Fehlen von Kinderspielplätzen und Jugendräumen, an zu geringer Öffentlichkeitsarbeit der SPD, die sich von Bürgermeister und Stadtdirektor zu viel bieten lasse. Mehr Umweltschutz wurde gefordert.
Mit Erfolg bemühte sich der Stadtdirektor seit seiner Amtsübernahme, Medebach wieder aus dem Kreis der Fehlbetragsgemeinden herauszuführen. Allerdings kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Ratsmehrheit einerseits, der SPD-Fraktion andererseits über einzelne Punkte und vor allem seine Kritik an der Landesregierung, die angeblich an den Medebacher Haushaltsproblemen schuld sei(198). Tatsächlich hat Medebach zwischen 1980 und 1989 vom Land Finanzzuweisungen in Höhe von 89 Mio Dm erhalten(199).
5. Kommunalwahlen 1984 und 1989
Im Aufruf zur Kommunalwahl vom 30.9.84 forderte die SPD den schon angesprochenen Erlaß von Verwaltungsrichtlinien, die Fertigstellung der Kanalisation, ein Vorantreiben des Umweltschutzes und die weitere Erneuerung der Wasserversorgung, weil immer noch 25% Wasserverlust zu verbuchen waren. Gleichzeitig kritisierte sie Manipulationen bei der Einteilung der Wahlbezirke, die ihrer Meinung nach so zugeschnitten wurden, daß SPD-Kandidaten keine Chance hatten, direkt gewählt zu werden (so im Falle Klapperhaus/Brüggerweg)(200). Erstmals kandidierte bei dieser Wahl auch die FDP. Die CDU erzielte bei dieser Wahl 66,8 %, die SPD 25,7% und die FDP 7,6% der Stimmen. Damit erhielten die CDU achtzehn Sitze, die SPD sieben Sitze und die FDP zwei Sitze.
Für die SPD gehörten dem Rat in der Periode 1984 - 89 an: Jürgen Reinold als Fraktionsvorsitzender, Ekkehard Habel als stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Dietmar Bügler, Klaus Kralemann, Brunhilde Sengen als stellvertretende Bürgermeisterin - die erste Frau in der Medebacher Stadtvertretung und die erste Bürgermeisterin im Hochsauerlandkreis! -, Karl-Heinz Figgen, Michael Hiemer.
Vor der am 1.10.89 stattfindenden nächsten Kommunalwahl veröffentlichte die SPD ein umfangreiches Wahlprogramm mit den Schwerpunktthemen Leben und Wohnen, Verwaltungsreorganisation, Wirtschaftsförderung, Jugend und Sport, Umweltschutz, Ferien und Erholung. Nachdem schon früher die Landesminister Zöpel, Schwier (8.11.84) und Heinemann (11. 11. 87) Medebach besucht hatten, gelang es dem Ortsverein, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau zu einem Besuch in Medebach am 16. 8. 89 zu bewegen(201). Nachdem ihm die Planungen für den neuen Ferienpark vorgestellt worden waren, sprach er unter freiem Himmel auf dem Marktplatz in einer öffentlichen Veranstaltung der Medebacher SPD. Bis zu diesem Zeitpunkt war es dem Ortsverein noch nie gelungen, eine so große Anzahl von Bürgern in einer sozialdemokratischen Versammlung begrüßen zu können.
Die 89er Wahl für die Stadtvertretung ergab 66,1% der abgegebenen Stimmen für die CDU, 26,63% für die SPD und 7,27% für die FDP. Das bedeutete einen nur geringen Zuwachs für die SPD von 0,9%, entsprechend einen geringen Rückgang für die CDU von 0,7% und für die FDP von 0,3%. Auf die Verteilung der Sitze in der Stadtvertretung wirkte sich das jedoch nicht aus. Wie zuvor erhielten die CDU achtzehn, die SPD sieben und die FDP zwei Sitze. Für die SPD zogen in den Rat ein: Jürgen Reinold, Michael Hiemer, Brunhilde Sengen, Dietmar Bügler, Karl-Heinz Figgen, Marion Zaadstra und Rudolf Kaiser. Bemerkenswert allerdings, daß trotz der für die Mehrheitspartei zugeschnittenen Wahlbezirke Jürgen Reinold im Wahlbezirk 6, wie schon erwähnt, erstmals den CDU-Bewerber Anselm Schröder überflügeln und auf Grund direkter Wahl in den Rat gelangen konnte. Er erhielt in seinem Bezirk 47,1% der Stimmen, der CDU-Mann mußte sich mit 43,5% begnügen. Auch die stellvertretende Bürgermeisterin Brunhilde Sengen konnte im Wahlbezirk 5 immerhin 39,2% der Stimmen verbuchen. Deutlich geringer und unter 20% war wieder der Stimmenanteil der SPD-Kandidaten in den Ortschaften. Eine Ausnahme bildeten nur Deifeld, wo Figgen 44,5% erhielt (allerdings im Wahlbezirk 10 Deifeld/Küstelberg insgesamt nur 34,14%) und Oberschledorn, wo für Habel 32,6% und für Emde 25,8% der Wähler stimmten.
Von den SPD-Mitgliedern des Rates schieden im Laufe der Wahlperiode zunächst Marion Zaadstra und danach Dietmar Bügler wegen Wegzugs aus. Für Marion Zaadstra rückte schon 1991 Konrad Schmidt nach, weil Erwin Lux, der als nächster auf der Liste stand, das Mandat nicht wahrnehmen konnte. Anstelle von Dietmar Bügler wurde Ludwig Ulrich im April 1992 Mitglied der Stadtvertretung, verstarb jedoch im Sommer desselben Jahres, so daß an seine Stelle ab September 1992 Peter Nimscholz trat.
Brunhilde Sengen, geboren am 1.5.1955, stammt aus Frankenberg, wo sie nach dem Realschulabschluß zunächst eine Ausbildung als Bürogehilfin erhielt. Danach arbeitete sie bei der Kreisverwaltung Waldeck-Frankenberg in verschiedenen Abteilungen und ist nun Sachbearbeiterin in der dortigen Kreisvolkshochschule. Der SPD trat sie 1974 bei, wurde 1976 in die Stadtvertretung Frankenbergs gewählt und kurz darauf auch in den Vorstand der ÖTV. Infolge ihrer Heirat 1979 kam sie nach Medebach. Nach ihrer Wahl in den Medebacher Rat wurde sie auf Vorschlag der SPD-Fraktion zur stellvertretenden Bürgermeisterin Medebachs gewählt. Sie engagierte sich vor allem im Jugend-, Kultur- und Sportausschuß. Am 1. 7. 91 folgte sie Dietmar Bügler als Mitglied des Kreistages nach. Seit September 1992 ist sie auch Mitglied des Landesvorstandes der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik.
Michael Hiemer, geboren am 18.3.1959 in Frankenberg, ist Postbeamter im mittleren Dienst. Über die Gewerkschaftsarbeit - 1981 wurde er Jugendvertreter beim Postamt Korbach und Ortsjugendleiter der Postgewerkschaft - kam er zur SPD, der er 1983 beitrat. Gegen die Zerschlagung und Privatisierung der Post setzte er sich von Anfang an ein. Als Nachfolger von Dietmar Bügler wurde er am 8. 4. 88 zum Vorsitzenden des Medebacher Ortsvereins gewählt, 1989 auch zum stellvertretenden Vorsitzenden des Unterbezirks Hochsauerlandkreis, dessen Vorstand er bereits seit 1987 angehörte. Dort arbeitete er intensiv in verschiedenen Kommissionen mit, u. a. als Vorsitzender der Kommission Kommunalpolitik. Im Medebacher Rat übernahm er für die SPD-Fraktion vor allem die Position des Haushaltssprechers und kümmerte sich insbesondere um die Angelegenheiten der Feuerwehr und die Müllentsorgung.
Karl-Heinz Figgen, geboren am 27.8.1954 in Wissinghausen, absolvierte zunächst eine Lehre als Werkzeugmacher, besuchte dann die Fachoberschule und studierte anschließend Maschinenbau in Meschede. Nach dem Examen trat er eine Stelle als Unternehmensberater bei einer Briloner Firma an, die ihm wegen der damit verbundenen Reisetätigkeit wenig Zeit für andere Aktivitäten läßt, so seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied und Mannschaftsbetreuer des SV Deifeld. Mit 21 Jahren trat Figgen der SPD bei, kam für diese 1984 in den Stadtrat und ist dort seit 1989 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. Den Schwerpunkt seiner Ratstätigkeit findet er im Planungs- und Baubereich.
Rudolf Kaiser, geboren am 8.7.1955 in Essen, ist wie Hiemer bei der Post beschäftigt. Von 1970 bis 1980 arbeitete er als Fernmeldehandwerker in Essen, seit 1980 bei der Außenstelle des Fernmeldeamts Kassel in Korbach. Der SPD trat er 1987 bei und wurde 1989 in den Stadtrat gewählt. Seit 1988 Beisitzer im Ortsvereinsvorstand, wurde er 1991 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Wenn man seine persönlichen Beiträge im rotdorn liest oder seine Stellungnahmen im Rat hört, kann man feststellen, wie erfreulich direkt und ohne Umschweife er zur Sache kommt.
Marion Zaadstra (geb. Rzepa) stammt aus Waltrop, wo sie am 6. 5. 1959 geboren wurde. Schon als Kleinkind kam sie mit ihren Eltern nach Deifeld. Nach der mittleren Reife ließ sie sich zur Erzieherin ausbilden, arbeitete einige Jahre in Süddeutschland, kam dann aber wieder zurück nach Medebach. Mitglied der SPD wurde sie hier 1987, betätigte sich von 1988 bis 1990 als Kassiererin des Ortsvereins und wurde 1989 als zweite Frau der SPD in den Rat gewählt. Wegen ihres Wegzugs aus Medebach 1991 nach Winterberg mußte sie schon nach zwei Jahren ihr Mandat aufgeben.
Ludwig Ulrich, geboren am 17.5.1926 in Lüdinghausen, kam als Rentner nach Medebach. Er wurde im April 1992 der Nachfolger Büglers im Rat, verstarb aber kurze Zeit später, im August 92.
Peter Nimscholz, geboren am 20. 4. 1941 in Berlin, besuchte dort bis 1956 die Oberschule (praktischer Zweig) und absolvierte anschließend eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker. Danach blieb er nur noch ein Jahr in Berlin, diente zwei Jahre bei der Bundeswehr und kam über Arolsen im Jahre 1975 nach Medebach. Hier arbeitet er seit 16 Jahren bei Fa. Paul Schmid in der Zuschneiderei. Seine Frau ist im Josefsheim Bigge im Bereich der Pflege tätig. Seit 1. 4. 85 gehört er der SPD an. Als Nachfolger Ulrichs rückte er im Herbst 1992 in den Rat nach. Sein besonderes Interesse gehört seiner Mitarbeit im Umweltausschuß.
6. Auf ein Wort
Einige zusätzliche Bemerkungen seien noch über politische Gegenspieler erlaubt
Bei der Wahl ihrer Fraktionsvorsitzenden zeigte die CDU nach Auffassung der SPD nicht immer das rechte Geschick. Uneingeschränkten Respekt genoß Erwin Schmiedeler. Er bewies taktisches Gespür, sah häufig genug Züge der SPD voraus und klärte die notwendige Gegenstrategie schon vorher in seiner Fraktion ab. Als Mann mit ausgeprägten eigenen Überzeugungen und großem Selbstbewußtsein, beides sicher für die Leitung seines Bauunternehmens von Vorteil, konnte er auch in den eigenen Reihen andere Meinungen ertragen. Scharfer Diskussion mit dem Gegner nicht abgeneigt, nahm er ebensolche Entgegnungen nie als auf seine Person bezogen übel.
Ganz anders sein Nachfolger Georg Nottelmann, Rektor der Medebacher Hauptschule. Er scheint nach dem Eindruck seiner SPD-Ratskollegen auch eher ein Kompromißkandidat gewesen zu sein. Von der Ortsunion war er 1979 nicht als Kandidat für den Stadtrat nominiert worden, dieser Beschluß wurde danach allerdings vom CDU-Stadtverband korrigiert(202). Bei der nächsten Wahl 1984 kandidierte Nottelmann dann aber endgültig nicht mehr. Dazu trugen möglicherweise Affären bei, über die später auch in Zeitungen berichtet wurde(203).
Die beiden Nachfolger im CDU-Fraktionsvorsitz(204), Klaus Sternemann und Werner Schmiedeler, waren von ganz entgegengesetztem Naturell. Wo Sternemann, ruhig und von ausgeglichenem Wesen, Gemeinsamkeiten auch mit dem politischen Gegner herausstellte, ließ Werner Schmiedeler die anderen Ratsfraktionen die absolute Mehrheit der CDU-Fraktion spüren. Die sich in dieser Haltung zeigende Geringschätzung des politischen Gegners erschwerte die Zusammenarbeit erheblich (siehe Anmerkung 185). Angesichts seines als eher unversöhnlich eingeschätzten Charakters erschien es daher später auch nicht verantwortbar, ihm die Leitung eines heimischen Geldinstituts anzuvertrauen.
Ein Wort auch zu Bürgermeister Günter Langen, Jahrgang 35, als Sauerländer Kaffeeröster und inzwischen auch Landtagsabgordneter über Medebach hinaus bekannt. Einst angetreten als Erneuerer gegen die Altherrenmannschaft seiner Partei, hat er seine Ratsfraktion inzwischen fest im Griff. Abweichende Voten gibt es praktisch nicht mehr. Die Zeitung behauptete kürzlich sogar, er könne seine Fraktion auch gegen die Polizei mobilisieren(205). Leider neigt er manchmal zu etwas weitschweifigen Ausführungen. Sein CDU-Ratskollege Nikolaus Schäfer stellte in der Sitzung vom 15. 6. 77 - allerdings vergeblich - den Antrag, das Protokoll der vorhergehenden Sitzung nach den Worten: "Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung ..." um folgenden Zusatz zu ergänzen: "und begrüßte ausgiebig und wortgeschwätzig Herrn Aust von der Westfalenpost". Leitete einmal sein Vertreter Paul Völlmecke eine Ratssitzung, konnte man davon ausgehen, viel früher zum Bier oder nach Hause zu kommen. Seine in der Tat beachtliche Sangeskunst stellte Güla beim Empfang zu seinem 50. Geburtstag unter Beweis. Als niemand ein Lied anstimmen wollte, sang er sich selbst zu Ehren Loewes Ballade von der Uhr. Ob er aus dieser Ballade auch für sein Bürgermeisteramt einmal Konsequenzen zieht?
Anmerkungen
* Häufiger verwendet sind folgende Abkürzungen:
AmtsV: das sind die Sitzungsniederschriften der Amtsvertretung des Amtes Medebach von 1946 - 1969, und zwar:
Band I von 1946 - 1960
Band II von 1961 - 1969
StadtV: das sind die Sitzungsniederschriften des Rates der Stadt Medebach ab 1946, und zwar:
Band I von 1946 - 1953
Band II von 1954 - 1957
Band III von 1958 - 1961
Band IV von 1962 - 1965
Band VI von 1970 - 1974
Band VII von 1975 - 1976
Band VIII von 1977 - 1978
Band IX von 1979 - 1980
Band X - XXI von 1981 - 1992 (1 Band je Jahr)
ab Band VI Zitierweise nach Jahreszahl und Seite, (z. B. bedeutet daher "StV 71/25": Protokolle des Jahres 1971, Seite 25), oder nach Sitzungstag, z.B. StV 13.6.85 (= Band XIV).
Akten: das sind die Archivakten des Ortsvereins der SPD, Band A und B, geordnet nach Sachgebieten.
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(1) Waldeckische Landeszeitung (hier zitiert nach "Schriften des Heimat- und Geschichtsvereins Medebach, Medebach und seine Ortschaften im Spiegel der Waldeckischen Landeszeitung" Band II), Seite 139.
(2) Waldeckische Landeszeitung a.a.O., Seiten 153, 156.
(3) C.v.Krockow,Die Deutschen, Seite 132; K.D. Bracher, Die deutsche Diktatur, Seite 185.
(4) E.R.Huber,Deutsche Verfassungsgeschichte,Band 3,Seite 871.
(5) K.E.Born in Gebhardt, Handbuch , Band 16, Seite 14.
(6) S.Haffner, Die deutsche Revolution 1918/19.
(7) Das Zentrum hat zugestimmt. Die SPD wurde kurz darauf verboten, das Zentrum löste sich im Juli 1933 selbst auf.
(8) Süddeutsche Zeitung vom 9.11.92,Seite 1. Derselbe Minister, inzwischen gar Ministerpräsident geworden, gesteht ein, persönliche Vorteile von Industrieunternehmen angenommen zu haben, ohne diese zu versteuern. Dennoch hält er sich für unbestechlich. Dazu die "Zeit" Nr. 8/93 vom 19.2.93, Seite 1: Es ist kein einziger "Konflikt bekannt, in dem sich eine bayerische Staatsregierung den Ruf eines unparteiischen Schiedsrichters eingehandelt hätte", und: "Wer korrumpiert ist, ist noch lange nicht bestechlich".
(9) Zitiert nach Krockow a.a.O., Seite 322.
(10) A.Grosche in "800 Jahre Medebach", Seite 8.
(11) M.Padberg, Als wir preußisch wurden, Seiten 236, 237.
(12) Grosche a.a.O., Seiten 6,19,116. Allein in den Jahren 1881 und 1882 wanderten jeweils über 200 000 Deutsche nach Übersee aus.
(13) So R.Dahrendorf, Gesellschaft, Seiten 432 ff.: "Die Nationalso-zialisten (mußten) die überlieferten Loyalitäten zu Region und Religion, Familie und Korporation zerbrechen, um ihren totalen Machtanspruch durchzusetzen. Hitler brauchte die Modernität, so wenig er sie mochte."
(14) Zitiert nach W.Mommsen,Deutsche Parteiprogramme, Seite 11.
(15) G.Bucerius, später Bundestadsabgeordneter der CDU, in seinem Leitartikel in der ersten Ausgabe der "Zeit",DIE ZEIT Nr.1/1.Jahrgang vom 21. 2. 46. In seiner Rede vom Mai 1946 über Aufgaben und Ziele der deutschen Sozialdemokratie hat Kurt Schumacher den marxistischen Klassenkampfbegriff als Vorstufe zur Diktatur verworfen und auf das demokratische Selbstverständnis der SPD verwiesen, vgl. Mommsen a.a.O., Seiten 48 ff
Schon vorher, 1933, geißelte Trebitsch wirtschaftliche Verelendung als Folge des marxistischen Klassenkampfbegriffs, wie sie sich in der Sowjetunion zeigte, und rief zum Kampf des demokratischen Sozialismus gegen faschistische und kommunistische Diktatur auf (vgl. K.P.Schulz, Proletarier,Seite 151).
Zu Kurt Schumachers Ziel einer Wiedervereinigung (Schumacher als "Nationalist") in demokratischen Verhältnissen vgl. C.v.Krockow, Nationalismus, Seiten 43 ff und Anmerkung 35. Generell zum Verhältnis der Sozialdemokratie zur Nation vgl. D. Groh/P. Brandt: "Vaterlandslose Gesellen".
(16) Vgl Anm. 13.
(17) Die Schilderung der Zustände in Medebach nach Ende des Krieges folgt eigener Erinnerung und mündlichen Berichten anderer aus dieser Zeit, soweit nicht auf besondere Quellen verwiesen wird.
(18) Am Abend des 29.1.45, die allerdings ins Zentrum fielen und 4 Todesopfer forderten, Grosche a.a.O., Seite 23.
(19) Soweit sie zu den Glücklichen gehörten; von ca. 12 Millionen Einwohnern der Ostgebiete sind etwa 3 Millionen durch Krieg und Vertreibung ums Leben gekommen.
(20) Zum Vergleich: ein Stadtarbeiter erhielt damals für die 8 Stunden eines Arbeitstages insgesamt 4,50 RM, ein Jahr später erhöht auf 5,50 RM, StadtV Bd I, Seiten 8 und 47. Nach der Währungsreform wurden der Lohn des Vorarbeiters auf 0,85 DM/Stunde und der Lohn der Arbeiter auf 0,80 DM/Stunde festgesetzt, StadtV Bd I, Seite 69.
(21) Wie man die Zeit des Schwarzhandels auch sehen kann, hat Siegfried Lenz in seinem vergnüglichen Büchlein "Lehmanns Erzählungen" geschildert.
(22) Zu einer Auseinandersetzung zwischen Amtsdirektor und CDU kam es gleich zu Beginn 1946 in Amts- und Stadtvertretung. Die Mitglieder der Vertretungen waren ernannt worden. Sie sollten alle Bevölkerungsgruppen repräsentieren. In den Vorschlägen des Amtsbürgermeisters, der nach Einführung der englischen Verwaltungsreform Amtsdirektor wurde, fanden sich aber keine Vertreter der Arbeiterschaft. Das hatte bereits der Landrat moniert, woraufhin Ludwig Hunold und Gerhard Papenheim für die Amtsvertretung nachbenannt wurden. Das nahm die CDU, insbesondere ihr Vertreter Albert Klüppel, zum Anlaß, sich über den Amtsdirektor zu beschweren. Später wurden die Beschwerden noch auf Vorgänge aus der Amtsführung ausgedehnt, StadtV Bd.I, Seiten 9 und 14 ff, AmtsV Bd.I, Seiten 8-10, 14. Alle Beschwerden, die in öffentlicher Sitzung behandelt wurden, wurden zwar mit großer Mehrheit zurückgewiesen. Klüppel, der Wortführer, fiel auch bei der Wahl zum stellvertretenden Bürgermeister von Medebach durch, StadtV Bd.I, Seiten 1 und 19. Dennoch scheint das Verhältnis zwischen Verwaltung und Rat zerrüttet worden zu sein. Denn im November 1946 beschloß die Amtsvertretung statt der Wiederwahl Rettigs die Ausschreibung der Stelle des Verwaltungschefs.
(23) Siehe Anm.12.
(24) StadtV Bd I, Seite 50, AmtsV Bd I, S. 49.
(25) StadtV Bd I, Seiten 82,83,86.
(26) Die Zonengrenzen waren zunächst geschlossen. Sie wurden erst im Sommer 1946 geöffnet.
(27) StadtV Bd.I, Seite 63.
(28) Vgl. K.D.Erdmann in Gebhardt a.a.O. Band 22, Seite 167: 1947 erreichte die industrielle Produktion nur 37% von der des Jahres 1936.
(29) Grosche a.a.O. Seite 141 und Sitzungsniederschriften der AmtsV Bd I, Seite 3.
(30) Siehe Anm. 22.
(31) StadtV Bd I, Seite 81. Es spricht einiges dafür, daß Hanke und Knipp durch ihre Stimmen für die Wahl Klüppels zum Bürgermeister gesorgt haben. Es wird auch berichtet, Klüppel habe der SPD mindestens anfangs nicht ferngestanden. Hanke und Klüppel sollen nach glaubwürdigen Angaben nicht nur gelegentlich gemeinsam beim Bier gesessen haben. Klüppel hat sich später mit der CDU überworfen. Er wurde 1956 und 1961 als Vertreter des Zentrums in die Medebacher Stadtvertretung gewählt.
(32) So nach der Erinnerung eines ehem. Mitarbeiters der Stadtverwaltung. In einer Mitteilung der Verwaltung heißt es: "aus engl. Gefangenschaft zurück".
(33) a.a.O. Seite 141.
(34) Die Zentrumsvertreter im 1956 gewählten Stadtrat Josef Althaus, Hubert Falkenstein, Ludwig Kuhnhenne, Gregor Müllenhoff und Ludwig Reuter traten im Frühjahr 1958 aus dem Zentrum aus und der CDU bei, StadtV Bd. III, Seite 16. Damit verblieb für das Zentrum nur noch Albert Klüppel, früheres CDU-Mitglied und von 1948 bis 52 Bürgermeister der Stadt, im Rat. Ab der Wahl 1961 stieß im Rat für das Zentrum zu ihm Alfons Schröder.
(35) Klose wird beschrieben als rundlicher, eher kleiner Mann, der durchaus zu Temperaments- oder gar Zornesausbrüchen fähig war. Theo Balz, Anfang der 60er Jahre Leiter der Polizeistation Winterberg, erinnert sich an eine Auseinandersetzung zwischen Amtsdirektor Hausmann und Klose anläßlich einer Ortsbesichtigung. Klose habe Hausmann das Geld für eine Rückfahrkarte nach Bottrop angeboten, wenn er nur fahren wolle.
(36) Akten B-III: Es hatte mit Kempa bereits Streitigkeiten wegen schleppender Zahlung der Mitgliedsbeiträge gegeben. Hinzu kam, daß er Schwarzarbeiter, wie er selbst einräumte, angezeigt hatte. Als er sich im Sommer hilfesuchend an die Kreispartei wandte, antwortete ihm deren Geschäftsführer, Julius Drescher, kühl in einem Brief: "Ich kann von hier aus nicht beurteilen, ob diese Vorwürfe gegen Dich der Tatsache entsprechen. Sollte es aber der Fall sein, dann hätte jede andere Ortsgruppe schon ein Ausschlußverfahren gestellt".
In einer Mitgliederversammlung der Medebacher SPD, der das den Austritt erklärende Schreiben Kempas vom 19. 1. 56 noch nicht bekannt war, wurde einstimmig (bei 2 oder 3 Enthaltungen) beschlossen, das Ausschlußverfahren gegen Kempa zu betreiben.
Bei dieser Gelegenheit ein Hinweis: Ärger mit einzelnen säumigen Beitragszahlungen, vor allem aber Ärger über säumige Zahlungen seitens der Ortsgruppe an Kreis bzw. Bezirk gab es schon damals häufig (Akten A-II).
(37) siehe Zusammenstellung in Akten A-I.
(38) Akten A-III.
(39) Mit dem Anstieg der Mitgliederzahlen im Jahre 1976 hatte der Ortsverein noch nicht gerechnet, als er sich in der Mitgliederversammlung vom 18.1.74 erstmals eine Satzung gab, Akten B-IV. Dort war noch ein verkleinerter Vorstand vorgesehen, solange die Mitglie-derzahl nicht größer als 40 war.
(40) siehe Anm. 15.
(41) Miller, Die SPD vor und nach Godesberg, Bonn 1974,Seiten 95 ff.
(42) Dieselbe Einstellung führte am 18. 3. 90 bei den ersten freien Volkskammerwahlen der DDR nach der Wende und am 2. 12. 90 bei den Bundestagswahlen zum Erfolg der CDU.
(43) Nach neueren Erkenntnissen auf Grund der Einsicht in die Archive der ehemaligen DDR scheint es, daß die Stalinnote durchaus ernst gemeint gewesen ist. Demnach soll Stalin wie im Falle Jugoslawiens davon ausgegangen sein, daß sich die DDR nicht halten lassen werde. Mit der Neutralisierung wollte er wenigstens eine für die Sowjetunion günstige Konstellation erreichen. Die DDR hat dies zwar verbal unterstützt, tatsächlich aber um des eigenen Machterhalts willen auf die Verselbständigung des zweiten deutschen Staates hingearbeitet.
(44) Vgl. "Die Zeit" Nr. 1 vom 1. Januar 1993 Seiten 9 - 12 und die dortige Darstellung der Adenauerschen Politik in der Kriegsgefangenenfrage sowie die dort zitierte Dissertation des Spätheimkehrers Heinrich Meyer. Allgemein dürfte bekannt sein, daß Adenauer selbst die Gespräche im Kreml vom September 1955 scheitern lassen wollte und es Carlo Schmid, SPD, zu verdanken ist, daß es doch noch zum Erfolg kam.
(45) Am Beginn der Weimarer Zeit sühnten die deutschen Richter 22 von links begangene Morde mit 10 Erschießungen, 3 lebenslänglichen Zuchthausstrafen, über 248 Jahren Gefängnis. Dagegen die Strafen für 354 in derselben Zeit begangene Morde von rechts: keine Todesstrafe, einmal lebenslängliche Haft, 90 Jahre Gefängnis, 730 Mark Geldstrafe (Katalog zur Ausstellung "Justiz und Nationalsozialismus", Seiten 31 - 35). Von den vielen Veröffentlichungen über die beklagenswerte Rolle der Justiz zwischen 1933 und 1945 ist insbesondere hinzuweisen auf Ingo Müller, Furchtbare Juristen, und Manfred Messerschmidt/Fritz Wüllner, Die Wehrmachtjustiz. Mit den Schwierigkeiten der bundesdeutschen Justiz in der Nachfolge der "furchtbaren Juristen" beschäftigen sich die Bücher von Heinrich Senfft, Richter, und Gerhard Mauz, Die Justiz vor Gericht. Aus neuerer Zeit sei hingewiesen auf die Rolle der Justiz in der Barschelaffäre und Lamprecht NJW 94,562.
(46) Wir Menschen können unsere Geschichte nicht einfach abstreifen, die Regierung konnte sich, nach dem Wort Bertolt Brechts, auch kein anderes Volk suchen. Aber es war auch nicht nötig, der Reaktion Vorschub zu leisten. Die menschliche Natur zieht die Einteilung in Schwarz und Weiß als intellektuell weniger anstrengend meist vor, so daß der Erfolg einer Erziehung zur Toleranz eher ungewiß ist. Man wird sich unter diesem Aspekt nicht darüber wundern dürfen, daß es im Zuge der Weltflüchtlingsbewegung und des Wiedererstarkens der Nationalismen nach dem Umbruch von 1989 auch in Deutschland zu Ausschreitungen gegen Ausländer gekommen ist. Der Appell an einen neuen Patriotismus Kohlscher Ausprägung bei Beförderung eines neuen nationalen Denkens wird keine Lösung herbeiführen können. Undifferenziertes Schwarz-Weiß-Denken läßt sich damit nicht abstellen. Die Lichterketten gegen Ausländerhaß 1992 lassen jedoch die Hoffnung aufkommen, daß sich trotz der schon anfänglich unter Adenauer falschen Weichenstellung in der Innenpolitik ein toleranteres Bewußtsein in Deutschland herausgebildet hat.
Paradoxerweise haben sich allerdings Nationalstaat und Demokratie in den westlichen Ländern - England, Schweiz, Frankreich, USA - gemeinsam entwickelt. Inhalt des Nationalbewußtseins ist jedoch jeweils ein politischer Humanismus, dessen Stichworte Toleranz und Gewissensfreiheit, individuelle Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind. Die Völker beziehen ihr nationales Selbstbewußtsein aus ihrem Stolz, diese Werte bei sich erstmals etabliert zu haben. Ihr Nationalbewußtsein gründet sich demnach nicht eigentlich auf eine angebliche nationale Einzigartigkeit, sondern darauf, daß gerade ihre Nation als erstes Volk den allgemeinen Zug der menschlichen Entwicklung zu einer vernunftgemäßen Ordnung, zu Freiheit und Gleichberechtigung verwirklicht hat. Dieses Nationalbewußtsein ist nicht rückwärts gewandt, es betont nicht die Abgrenzung zu anderen Völkern auf Grund der Besonderheiten der eigenen Geschichte, gar der angeblichen biologischen Zusammengehörigkeit. Es richtet sich vielmehr in die Zukunft, will die eigenen Errungenschaften über die nationalen Grenzen hinaus auch anderen Nationen zugänglich machen (vgl. zur Problematik Krockow, Nationalismus a.a.O.). Daß sich daraus ein problematisches Sendungsbewußtsein wie speziell in Amerika entwickeln kann, soll hier nicht vertieft werden.
Der Rückgriff auf "geschichtliche Notwendigkeiten" zur Begründung der Wiedervereinigungspolitik nach dem Krieg und dann der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 erweist sich demnach nicht als in die Zukunft sondern in die Vergangenheit gerichtet. Den Inhalt des Nationalbewußtseins westlicher Prägung haben Geschichtskonservative wohl selbst nicht rational erfaßt, weshalb sie dem dumpf emotionalen, mit Vernunft nicht begründbaren, rückwärts gerichteten deutschen Nationalbewußtsein nicht entgegentreten konnten. Den Gedanken eines "Verfassungspatriotismus" haben sie nicht begriffen. Dolf Sternberger 1982: "Das Vaterland ist die Verfassung, die wir lebendig machen. Das Vaterland ist die Freiheit, deren wir uns nur wahrhaft erfreuen, wenn wir sie selber fördern, nutzen und bewachen. Das Vaterland ist ... dadurch ausgezeichnet, daß wir darin die Luft der Freiheit atmen können".
Die notwendige Politik der europäischen Einigung kann bei ihrem Verständnis von Patriotismus die Deutschen nicht begeistern; Haider, Schönhuber, Lummer und Konsorten gewinnen statt dessen Wählerstimmen und Sympathien. Ihr rückwärts gewandter "völkischer" Nationalismus zeigt seine Irrationalität in verbaler und physischer Gewalt. In Adenauers Zeit aufgewachsene Geschichtskonservative wie der "Enkel" Kohl haben dieser Gewalt deshalb auch keine überzeugende Idee entgegenzusetzen. Denn nicht rückwärts gewandt, sondern nur in die Zukunft gerichtet kann die europäische Einigung den Menschen begreiflich werden. Noch schwerer wiegt dieses Fehlen einer Idee angesichts der völligen Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung im vereinigten Deutschland.
(47) Man erzählt sich die Antwort einer älteren Frau auf die Frage, welche Partei sie denn am Sonntag wählen wolle: "Dat hiätt uhse Pasteere op der Kanzel noch nitt bekannt 'egafft" (Das hat unser Pastor auf der Kanzel noch nicht bekannt gegeben).
(48) Daneben gab es zwar noch die der SPD nahestehende Westfälische Rundschau, die aber nur von wenigen gelesen wurde. Mit Vertrag vom 1.8.67 zwischen Westfalenpost und Rundschau zog sich die Rundschau aus dem Kreis Brilon zurück. Die Westfalenpost verpflichtete sich, nicht mehr nur die CDU darzustellen sondern auch die Politik der SPD angemessen in ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen.
(49) Westfalenpost (WP) Nr. 261/1952 vom 11.11.52.
(50) WP Nr. 253/1956 vom 29.10.56. Verwiesen sei hier nochmals auf Arndts Wort in Kap.I von dem Ort politischer Parteien im Vorletzten.
(51) WP Nr. 252/1956 vom 27./28.10.56.
(52) WP Nr. 250/1956 vom 25.10.56.
(53) AmtsV Bd. II, Seiten 53 und 54.
(54) StadtV Bd. III, Seite 212. In dieser Sitzung vom 29.3.61 wurden erstmalig die Mitglieder der Amtsvertretung gewählt. Für diese fand keine Direktwahl durch die Bürger mehr statt. Vielmehr wurden die Mitglieder der Amtsvertretung durch die Gemeinderäte bestimmt. Während die Stadt Medebach 9 Mitglieder der Amtsvertretung stellte, konnten die übrigen Gemeinden des Amtes nur je ein Mitglied dorthin entsenden.
(55) StadtV Bd. I, Seite 83: Hanke moniert in der Stadtratssitzung vom 8.11.48, daß der Duschraum der katholischen Volksschule als Hühnerstall verwendet werde, obwohl die Flüchtlinge ihn dringend brauchten. Er erreicht in der Sitzung der Stadtvertretung vom 26.11.48 den Beschluß über die Wiederinstandsetzung.
(56) Trotz Protesten von Amts- und Stadtvertretung wird die direkte Busverbindung nach Brilon wegen der geringen Zahl der Nutzer 1959 eingestellt, AmtsV Bd. I, Seite 235, StadtV Bd. III, Seite 81. Sie soll nun über Olsberg geführt werden.
(57) StadtV Bd. I, Seite 329.
(58) StadtV Bd. II, Seite 113: Die Erweiterung wird auf Antrag des SPD-Vertreters Papenheim beschlossen.
(59) StadtV Bd. III, Seite 121. Der Betrieb der Industriegesellschaft wird am 1.7.63 an die schwedische Waso verkauft, StadtV Bd. IV, Seite 241.
(60) StadtV Bd. II, Seite 479. Kurz darauf beschließt die Stadtvertretung im Sommer 1957, mit Zeitungsinseraten für die Ansiedlung solcher Betriebe zu werben, die durch den Bau der Biggetalsperre verdrängt werden.
(61) Nach einem Bericht von W. Hellwig, Referinghausen.
(62) StadtV Bd. II, Seite 493.
(63) Zwei Jahre zuvor hat sich Fritz Schröder noch dagegen gewehrt, daß dem Textilhaus Werner aus Werl die Genehmigung zur Eröffnung eines Geschäftes in Medebach erteilt werden sollte. Man weist ihn darauf hin, daß wegen Änderung der gesetzlichen Bestimmungen eine Bedürfnisprüfung nicht mehr stattfindet, StadtV Bd. II, Seite 285. Vorher wurden Geschäfte und Gewerbe nicht zugelassen, wenn die Stadt der Meinung war, es bestehe hierfür kein Bedürfnis. So erhielt eine Tankstelle mal die Genehmigung, eine andere nicht. So erging es auch anderen Geschäftsleuten. Bei der Bedürfnisprüfung sprachen vermutlich häufig individuelle Interessen von Ratsmitgliedern mit.
(64) StadtV Bd. II, Seite 600.
(65) Genehmigung erfolgte schon 1950, StadtV Bd. I, Seite 131. Im Jahre 1954 wird für den Glindfelderweg eine Ortssatzung beschlossen, StadtV Bd. II, Seite 147, die z. B. Eingeschossigkeit und eine Dachneigung zwischen 50 und 55 Grad vorschreibt.
(66) StadtV Bd. I, Seiten 88, 116, 119.
(67) WP vom 18.10.52.
(68) Eine erste Besprechung dieses Plans fand Anfang 1956 mit der Bezirksplanungsstelle Arnsberg statt, StadtV Bd. II, Seite 309.
(69) StadtV Bd. III, Seiten 225 und 277. In einem Informationsgespräch zwischen Rat und Kreisverwaltung beschäftigt man sich 1965 erneut mit der Überführung des Bauleitplans in einen neu zu erarbeitenden Flächennutzungsplan. Der Architekt Richter meint, in den letzten 30 Jahren seien die Grundsätze geordneter Planung, die seit dem Brand von 1844 eingehalten worden seien, nicht mehr beachtet worden, StadtV Bd. IV, Seite 309.
(70) StadtV Bd. I, Seite 174.
(71) StadtV Bd. I, Seite 90. Die erste Planskizze zur Bebauung am Hohlen Weg (Klapperhaus) - zunächst sind 9 Wohnhäuser geplant - liegt dem Rat vor. Am 29.5.64 beschließt der Rat die Aufstellung des BPlans Klapperhaus, StadtV Bd. IV, Seiten 83, 156, 191.
(72) StadtV Bd. I, Seiten 151, 152. Im Jahre 1963 wird die Medebach dann auch im Bereich Oberstraße verrohrt, StadtV Bd. IV, Seite 138.
(73) StadtV Bd. IV, Seite 35. In den 80er Jahren weist SPD-Fraktionsvorsitzender J. Reinold immer wieder auf die zu erwartende Kürzung der Landesmittel hin und verlangt den beschleunigten Ausbau der Kanalisation: bei größerer Eigenfinanzierung durch die Stadt müssen notwendigerweise die Kanalgebühren steigen! Die CDU blockt jedoch ab.
(74) StadtV Bd. IV, Seite 271.
(75) StadtV Bd. III, Seite 118.
(76) StadtV Bd. IV, Seite 211.
(77) StadtV Bd. II, Seite 179. Amtsgerichtsrat a.D. Wessing, CDU, hat immer wieder das wilde Schuttabladen gerügt.
(78) Zusammen mit der ersten Abwasserentsorgungssatzung, StadtV Bd. II, Seiten 181 und 505. Zur Teilnahme an der freiwilligen Müllabfuhr hatten sich 190 Haushaltungen gemeldet. Dafür hatte jeder Haushalt 0,50 DM im Monat zu zahlen.
79) StadtV Bd. II, Seite 449: die Kosten werden mit insgesamt 400.000,- veranschlagt, von denen die Stadt 60-80.000,- DM übernehmen soll. Der Haushaltsplan sieht für 1957 Einnahmen in Höhe von 408.000,- DM, Ausgaben in Höhe von 463.450,- DM vor, im außerordentlichen Haushalt ganze 24.000,- DM, StadtV Bd. II, Seite 487. Tatsächlich geschieht vorerst nichts. Daher drohen die Schwestern 1958 mit dem Abzug aus dem Krankenhaus, wenn nichts zur Instandhaltung und Erneuerung geschieht, StadtV Bd.III, Seite 59.
(80) StV Bd. III, Seiten 10, 176. Nach Untersuchung der Platzfrage geht man 1960 von Baukosten in Höhe von 92.000,- DM aus. Das Land will 60% Zuschuß geben.
(81) StadtV Bd. I, Seite 147, Bd. II, Seite 487. Dieser "Mehrbelastung" genannte Zuschlag durfte nur für den Ausbau jeweils ganz bestimmter Wege verwendet werden.
(82) StadtV Bd. I, S. 315, Bd. II, Seiten 133, 337, 441, Bd. III, Seite 38, Bd. IV, Seite 306.
(83) StadtV Bd. III, Seiten 126, 158, 176. Mit dem Bau wurde erst Ende 1960 begonnen.
(84) StadtV Bd. II, Seiten 337 und 343.
(85) StadtV Bd. IV, Seite 50.
(86) Noch 1980 wird ein Antrag von Müller (SPD), dieses Hochhaus aus dem Bebauungsplan zu streichen, aus Sorge vor Schadensersatzforderungen abgelehnt, StV 80/35. Ein weiteres ähnliches Projekt für ein Ferienzentrum mit 31 Einfamilienhäusern, 7 Reihenhäusern und 12 Atriumhäusern in Glindfeld nahm der Rat 1965 zwar wohlwollend zur Kenntnis. Zur Durchführung kam es jedoch nicht, StadtV Bd. IV, Seite 271. Ende der 80er Jahre ist nun erneut ein Anlauf mit dem Ferienpark an der Küstelberger Straße unternommen worden.
(87) AmtsV Bd. I, Seite 160, StadtV Bd. I, Seite 250.
(88) AmtsV Bd. I, Seite 160. Man fürchtet 1954 um den Erhalt des Gymnasiums. 1964 bekräftigt die Amtsvertretung die Erweiterungsabsicht, AmtsV Bd.II, Seite 49 R, während man darüber spricht, daß Winterberg zum Vollgymnasium ausgebaut werden soll. 1965 wird endlich die Erweiterung um die Untersekunda genehmigt, AmtsV Bd. II, Seite 61 R. Voraussetzung war eine bauliche Vergrößerung, um Platz für die 6. Klasse zu schaffen. Dazu waren Arbeiten schon 1956 ausgeführt worden, StadtV Bd.II, Seite 331. Nach der Genehmigung schloß sich ein weiterer Umbau an in der Größenordnung von ca. 360.000,- DM, AmtsV Bd. II, Seiten 81 R und 134 R.
(89) StadtV Bd. I, Seite 252. Der Neubau einer zweiklassigen evangelischen Volksschule wurde wegen der gestiegenen Schülerzahl notwendig. Weil 80 % der Schüler Flüchtlingskinder waren, erhoffte man sich erhebliche Zuschüsse zum Bau. Die Baukosten werden auf 154.000,- DM geschätzt. Fertigstellung erfogt 1956.
(90) StadtV Bd. III, Seite 117, Sitzung vom 5.11.59.
(91) Ausführliche Darstellung in StadtV Bd. IV, Seiten 182-184, 195 von den Vorgängen im April und Mai 1964 (öffentliche Sitzung vom 29.5.64!). Die Gesamtkosten haben nach der Abrechnung 1,1 Mio DM betragen, StadtV Bd. III, Seite 134, Sitzung vom 17.7.63.
(92) StadtV Bd. III, Seite 92.
(93) StadtV Bd. IV, Seite 5.
(94) Die Argumente damals und heute unterscheiden sich nicht grundsätzlich. Nicht nur Gemeindevertreter (wie vor allem Werner Schmiedeler) glauben, die Natur finde ihren Wert allein darin, dem Menschen zu dienen. Die Natur rächt sich schon heute bitter für diese menschliche Kurzsichtigkeit. Da die Menschen nur Teil der Natur sind, werden sie ihr gegenüber immer die Schwächeren sein. Gegen Naturgesetze helfen die des Menschen nicht: ein Gesetz, nach dem 2 x 2 = 5 sei, ließe sich nicht durchsetzen.
Dennoch hat die CDU/CSU im Februar 1993 getreu ihrer überwiegend ablehnenden Haltung gegenüber der Natur das Staatsziel Umweltschutz in der Verfassungskommission blockiert (Süddeutsche Zeitung Nr. 36/93 vom 13./14.2.93, Seite 1). Es solle unter Gesetzesvorbehalt gestellt werden. Offenbar glaubt man immer noch, vor allem in der CSU unter bestimmendem Einfluß des in Anmerkung 8) erwähnten "nicht bestechlichen" Ministers, man könne durch Gesetz bestimmen, welches Produkt sich aus 2 x 2 ergibt. Dieser Minister hat in der Verfassungskommission auch für die Mitglieder der Union das imperative Mandat durchgesetzt. Zu diesen Vorgängen Robert Leicht in der "Zeit" Nr. 8/93 vom 19.2.93: "Wir scheuen ja sonst auch nicht davor zurück, mit den kommenden Generationen zu rechnen. Wir schieben ihnen massive Staatsschulden zu. Wir erwarten überdies von ihnen, daß sie, obgleich geringer an Zahl, dennoch für unsere ganze Altersversorgung aufkommen. Für unsere Lebenslast sollen sie dasein - an ihre Lebenslust denkt kaum jemand". Leicht bezeichnet dies als den "gleichgültigen Zynismus" des "Nach mir die Sintflut". Immerhin: die nötige Einsicht ist, u.a. auch inzwischen in der SPD, gewachsen.
(95) AmtsV Bd. II, Seiten 114, 115, 119 R, 123 R, 135 R, 147.
(96) Um nicht aufgesogen zu werden, dennoch die Vorgaben der Landes-entwicklungsplanung zu erfüllen, ist Medebach bereit, eine Arbeits- und Planungsgemeinschaft zwischen Winterberg, Medebach und Hallenberg mitzutragen, StV 71/225. Als Bestrebungen zur Errichtung einer Großgemeinde Winterberg unter Einschluß Medebachs und Hallenbergs laut werden, beschließt der Rat im Dezember 1972, wieder aus der Planungsgemeinschaft auszutreten, StV 72/433. Daß noch 2o Jahre später die Furcht vor Vereinnahmung durch Winterberg besteht, zeigt sich an der Ablehnung der Fusion der Volksbanken Winterberg und Medebach im Jahre 1992. Allein an den Risiken der Winterberger Bank kann es nicht gelegen haben, da sie vertraglich minimiert worden waren.
(97) Der Verfasser erinnert sich sehr gut seiner damaligen Zeit in München mit ihren Demonstrationen, Sit-ins und Diskussionen. Obwohl kein prinzipieller Gegner der Notstandsgesetze, hat er damals als Vorstandsmitglied der Münchner Gruppe der Humanistischen Studentenunion (HSU) an den Aufklärungsaktionen durch Diskussion und Verteilung der noch geltenden Landesverfassungen und des Grundgesetzes teilgenommen. Inhalt aller Aktivitäten war im Gegensatz zur Meinung der meisten Bürger der Versuch einer rationalen Auseinandersetzung mit den Problemen. Dabei herrschte teilweise sogar ein Übermaß an Toleranz, das aus einer den Tatsachen nicht gerecht werdenden Idealvorstellung resultierte. So trat der Verfasser innerhalb der HSU den theoretischen Erwägungen der Mitglieder des Studentischen Arbeitskreises kritischer Katholizismus und des Sozialistischen Deutschen Sudentenbundes entgegen, auch Mitglieder der NPD in die HSU aufzunehmen. Man hielt wahrhaftig eine vernünftige Diskussion mit ihnen für möglich. Gerade eine solche Orientierung an Idealen birgt in sich aber auch die Gefahr, die eigene Position ins moralisch Absolute zu steigern und das demokratische Mehrheitsprinzip als bloß quantitativ herabzusetzen. Dann schlägt Toleranz um in Intoleranz.
(98) Geschichte wiederholt sich nie im Detail, jede historische Situation unterscheidet sich von einer beliebigen anderen. Dennoch gibt es häufig einander ähnelnde Situationen und Abläufe. Die Situation gegen Ende der 60er Jahre weist einige Ähnlichkeiten mit der zu Anfang der 90er Jahre auf. Hier wie da eine Partei und Regierung, die zu sehr verwaltet, an eigene und Stimmenvorteile denkt und dabei die Probleme übersieht, ihnen jedenfalls ziemlich hilflos gegenübersteht. Hier wie da wirtschaftliche Schwierigkeiten, die der Regierung über den Kopf wachsen.
(99) Blickt man auf die innerparteiliche Opposition in der Medebacher CDU um diese Zeit zurück, fragt man sich, ob eine Wiederholung nicht längst überfällig wäre. Die damaligen Alten der CDU waren bei weitem nicht so alt wie der jetzige Alte. Die Schwierigkeiten der heutigen CDU-Fraktion im Rat (1989-94), zu einer gewissen Eigenständigkeit trotz des Übervaters in Gestalt des Bürgermeisters zu finden, sind unübersehbar.
(100) K. Biedenkopf, Fortschritt, Seite 103, und R. Dahrendorf, Lebenschancen, Seite 150. Darin lag in den 70er Jahren für Biedenkopf das Problem der SPD.
(101) G. Gaus, Die Welt der Westdeutschen, Seiten 160 ff.
(102) Miller, Die SPD a.a.O., Seite 65. Vgl. auch Krockow, Die Deutschen a.a.O., Seite 473: "Es dürfte kein Zufall sein, daß die in Deutschland notorische Kluft zwischen "Geist" und "Macht" sich nur während der Kanzlerschaft Willy Brandts - und der Präsidentschaft Gustav Heinemanns - zu schließen schien".
(103) G. A. Craig, Über die Deutschen, Seite 336.
(104) Dahrendorf, Lebenschancen, Seite 162.
(105) Craig a.a.O., Seite 328.
(106) StV 77/150 und 197. Letztlich ist es zum Bau des Freibades jedoch nicht gekommen. Bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1978 unterließ die Verwaltung eine Veranschlagung. Bei seinem Besuch in Medebach in einer öffentlichen Veranstaltung der SPD Anfang 1979 erklärte Regierungspräsident Grünschläger, nun komme keine Förderung mehr in Betracht, die Mittel reichten nicht mehr. Mit Hinhaltetaktik ist das Projekt damit letztlich vereitelt worden.
(107) StV 82/46.
(108) StV 75/103 und 79/172.
(109) StV 79/50.
(110) Akten A-II und A-IV; StV 77/194, 237 und 79/194 wegen der ärztlichen Versorgung; StV 74/157 wegen der Beseitigung wilder Müllkippen; StV 73/18 und 65 wegen eines zweiten Kindergartens in Medebach und des Antrags der SPD auf Einrichtung eines Kindergartens für die Grafschaft (siehe auch Anm. 117); StV 73/7 wegen des Antrags der SPD, einen Jugendraum in der ehemaligen evangelischen Volksschule zur Verfügung zu stellen, wogegen sich der Leiter des Gymnasiums wehrte.
Die Müllabfuhr erfolgte in den 70er Jahren durch die Fa. Stratmann, zunächst nur für die Kernstadt, die Ortschaften wurden erst im Laufe der Zeit angeschlossen, StV 70/102. Wegen unzureichender Entleerung der Müllbehälter kam es immer wieder zu Klagen, StV 74/157. Als Stratmann 1976 neue Verträge vorlegte, beantragte die SPD Ausschreibung der Müllabfuhr, um auch heimischen Unternehmen eine Chance zu geben, StV 76/184. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Stadt auf Grund des Vertrages von 1958 noch bis Ende 1978 an Stratmann gebunden war. Die SPD kritisierte Stratmann scharf, rotdorn Nr. 2, und konnte gegen den Widerstand der Verwaltung eine Ausschreibung durchsetzen. Dadurch war es Brass als heimischem Unternehmer möglich, 1979 an die Stelle von Stratmann zu treten, StV 79/54, nachdem durch die SPD eine falsche Rechtsauffassung Hausmanns, die wieder zu einer Vergabe an Stratmann geführt hätte, korrigiert werden konnte. Nicht durchzusetzen vermochte sich die SPD aber mit ihrem Antrag, die Müllgefäße nicht zu mieten, sondern von den Bürgern kaufen zu lassen. Bei der Kalkulation der Miete war eine durchschnittliche Lebensdauer der Müllgefäße von 5 Jahren zugrundegelegt. Die SPD hielt dies für viel zu gering. Sie hat, wie sich herausgestellt hat, mit ihrer Einschätzung richtig gelegen.
(111) Akten A-II, z. B. 18. 2. und 15. 9. 72, 7. 12. 73, 18. 1.,31. 3., 23. 7. und 27. 9. 74.
(112) Akten B-I.
(113) StV 70/27. Ein Antrag des Fraktionsvorsitzenden Reinold, die Stelle des Stadtdirektors auszuschreiben, wurde abgelehnt. Das Abstimmungsverhältnis war mit 8:10 bei einer Enthaltung angesichts der Mehrheitsverhältnisse allerdings bemerkenswert knapp.
(114) Akten B-III: Reinold wandte sich namens der SPD-Fraktion 1975 gegen ein zinsloses Darlehn der Stadt für den Eigenheimbau des Stadtdirektors, das diesem daraufhin letztlich nicht gewährt wurde. Der Stadtdirektor konterte mit dem Vorwurf, Reinold habe früher eine Sozialwohnung erhalten, obwohl er die enstprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Da diese Behauptung nicht zutraf, drohte Reinold mit gerichtlichen Schritten gegen Hausmann.
(115) Akten B-III: Zwei Mitglieder der Fraktion waren beauftragt, sich in Geseke und Hambühren, wo Nolte zuvor tätig gewesen war, zu erkundigen. Die Nachfrage beim SPD-Fraktionsvorsitzenden in Hambühren fiel positiv aus. Nolte war dort seit 2 Jahren stellvertretender Stadtdirektor. Die ebenfalls positive Antwort aus Geseke war allerdings, was sich erst später herausstellte, nicht bei der SPD , sondern dem Pfarrer eingeholt worden. Nach Auftreten von Differenzen mit Nolte seit der Stupadiskussion holte die SPD erneut Auskünfte in Geseke ein, und zwar sowohl bei der SPD wie dem ehemaligen Geseker Stadtdirektor, der der CDU angehörte. Wären diese Auskünfte bereits 1982 bekannt gewesen, wäre es zu der Wahl Noltes wohl kaum gekommen.
(116) Frauen gab es damals nicht im Rat. Die erste Frau wurde 1984 über die Liste der SPD in die Stadtvertretung gewählt, Brunhilde Sengen. Auf Vorschlag der SPD-Fraktion wählte der Rat sie zur stellvertretenden Bürgermeisterin, der ersten im Hochsauerlandkreis überhaupt.
(117) StV 73/77: Langen erklärte, es komme auf die sachliche Arbeit und nicht auf Parteienproporz an. Das klingt sehr gut, ob dies der wahre Grund war, dürfte aber sehr zweifelhaft sein. Immerhin ging es dabei um den Rechnungsprüfungsausschuß. Daß die Mitgliederversammlung des Ortsvereins an Schüttes Fairneß appellierte, Akten A-II, konnte ihn offensichtlich nicht beeindrucken.
(118) Zum Programm Akten A-IV. Zu den Eigenmächtigkeiten Akten A-II: Hausmann hatte z. B. den Rat über die Zustimmung der Regierung zum Standort eines Feuerwehrgerätehauses falsch unterrichtet. Aufklärung erbrachte ein Gespräch, das Reinold und der SPD-Landtagsabgeordnete Julius Drescher beim RP führten.
(119) Die Auseinandersetzungen sind beschrieben in rotdorn Nr. 9 vom April 82.
(120) Der Verfasser hatte nie die Absicht, mit seinen Beiträgen andere persönlich zu verletzen. Das zeigt sich etwa an seinem persönlich guten Verhältnis zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Erwin Schmiedeler, den er in der Sache häufig scharf angegriffen hat. Offensichtlich gab es aber einige, die diese Trennung zwischen Person und Sache nicht nachvollziehen konnten. Um den Verfasser persönlich zu treffen, veranlaßten sie sogar eine Landtagsanfrage (Landtagsdrucksache 10/2739), in der sie das Richteramt des Verfassers für unvereinbar mit seiner Ratsmitgliedschaft erklärten. Dieser Meinung mag man zwar sein können, die CDU war es jedoch nicht. Denn sonst hätte sie ihr Mitglied Dr. Franzmann, Vorsitzender Richter am Landgericht Arnsberg, aus dem Kreistag zurückziehen müssen.
(121) Auch die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit des Ortsvereins wird zum Erfolg beigetragen haben. Seit 1975 berichtete die SPD-Fraktion regelmäßig durch Aushang über die Ratssitzungen. Damit war aber nur ein geringer Teil der Bürger zu erreichen. Deshalb entschloß sich 1978 der Ortsverein, eine eigene Zeitung zu gründen, den "rotdorn". Er sollte in unregelmäßigen Abständen, möglichst mindestens zweimal jährlich, erscheinen und die Stellungnahmen der SPD, vor allem zu kommunalpolitischen Fragen, erläutern. Der rotdorn wurde in alle Haushalte verteilt und rief bei der CDU häufig genug ein stürmisches Echo hervor, wie man den Akten B-III deutlich entnehmen kann.
(122) Akten A-IV.
(123) StV 70/133 und 134, 71/300, 72/407.
(124) StV 71/178.
(125) Zu dieser Diskussion vgl. StV 71/225, 72/433, 73/104, 74/144 und 167, 78/208, 79/5, Akten A-IV und rotdorn Nr. 3.
(126) Nur beispielhaft sei verwiesen auf StV 70/6 und 120, 71/178 - 214 -286 - 308, 73/29 - 104, 76/74.
(127) Das betraf etwa das nicht zulässige Liegenlassen eines nicht beplanten Streifens zwischen Brüggerweg und Klapperhaus, Akten A-V.
(128) StV 73/89, 79/58, 80/26 - 39 - 59, 82/147.
(129) StV 80/79, 78/98. SPD-Anträge: StV 76/26, 77/174, 79/31. Erschließung z. B.: StV 70/109, 75/309 - 321, 77/89, 79/79. Umlegung: StV 72/414, 76/5. Vgl. auch rotdorn Nr. 8.
(130) StV 72/143 - 156 - 161.
(131) StV 79/33.
(132) StV 71/287 und 75/339. Die Wasserversorgung für Oberschledorn war nur sicherzustellen durch eine Anschlußleitung nach Niederschleidern. Die Kosten schätzte Gröticke einschließlich des Hochbehälters auf 950.000,- DM, StV 74/211.
(133) StV 71/258 und 73/66 ff.
(134) StV 77/37 und 79/94.
(135) StV 72/338 - 404, 73/13 - 24, 75/339.
(136) StV 74/211.
(137) StV 80/35.
(138) StV 73/65. Dieser Kindergarten wurde erst 1992 fertiggestellt.
(139) StV 76/25.
(140) StV 75/229.
(141) StV 76/89 - 203 - 223, 80/77. Der SPD-Ortsverein hatte noch 1977 erklärt, ein Freibad sei wichtiger als Tennisplätze, sowohl für die Bürger wie den Fremdenverkehr. Denn Tennisplätze dienten nur wenigen, der Effekt eines Freibads sei größer, Akten A-II.
(142) StV 82/29.
(143) StV 80/35, 81/37. Leider vermochten weder diese aufwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur noch die Senkung der Gewerbesteuer 1980 zu verhindern, daß Ende 1981 die inzwischen zu Falke, Schmallenberg gehörende alte Medebacher Fa. Ewers ihre Produktion einstellte, dadurch 240 Arbeitsplätze vor allem für Frauen wegfielen und die Arbeitslosenquote in Medebach auf fast 20% stieg, StV 81/23. Ihr folgte 1983 der Zusammenbruch der Fa. Battenfeld, Oberschledorn. Auch ein Anfang 1981 von den SPD-Stadtvertretern Bügler, Reinold und Habel in Frankenberg geführtes Gespräch mit Ministerpräsident Rau, rotdorn Nr. 8, hatte an diesen Arbeitsplatzverlusten nichts ändern können.
(144) Im bekannten "Lambsdorff-Papier" hatte der Wirtschaftsminister und spätere Bundesvorsitzende der FDP deutlich gemacht, daß die Mehrheit seiner Fraktion eine andere Wirtschaftspolitik befürwortete, die mit sozialdemokratischen Vorstellungen nicht vereinbar war (Schmidt, Menschen, Seite 322).
An dieser Stelle sei angemerkt, daß es schwierig ist, ohne zeitlichen Abstand über die jüngste Vergangenheit bis zur Gegenwart unvoreingenommen zu berichten oder - für den Leser - dies unvoreingenommen aufzunehmen. Daraus sich ergebende subjektive - oder so erscheinende - Darstellungen sind wohl nicht vermeidbar.
(145) Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing 2 und Cruise missiles sollten die Antwort auf die Aufstellung sowjetischer Raketen des Typs SS 20 darstellen, die das schon bestehende Vielfache des atomaren Vernichtungspotentials (Overkill) weiter vermehren sollten. Darauf lief jedenfalls der von Helmut Schmidt mit seiner Rede vom 28. 10. 1977 vor dem IISS initiierte Nato-Doppelbeschluß hinaus (vgl. Darstellung bei Schmidt, Menschen, Seiten 230 und 291 ff).
(146) BMF und Deutsche Bundesbank, zitiert in der "ZEIT" vom 11. 6. 93. Die öffentliche Verschuldung betrug zur Zeit der Wende 1982 608,5 Mrd. DM, eine außerordentlich hohe Summe. Sie stieg in der Zeit der konservativ-liberalen Koalition bis 1993 auf das Dreifache, nämlich knapp 2 Billionen DM!
(147) Deren Präsident Karl Otto Pöhl hat dies ganz undiplomatisch offen zum Ausdruck gebracht und ist aus Protest schließlich von seinem Amt zurückgetreten. Vgl. auch die geradezu hellseherisch anmutenden Warnungen K. v. Dohnanyis in seinem im Sommer 1990 erschienenen Buch: Das deutsche Wagnis, z.B. Seiten 235 ff.
(148) Vgl. etwa den Leitartikel des eher konservativen D. Schröder in der Süddeutschen Zeitung vom 19./20. 6. 93 "Gewinner und Verlierer".
In der von Baden-Württemberg in Auftrag gegebenen Untersuchung der Strukturkrise der deutschen Wirtschaft durch die Zukunftskommission Wirtschaft 2000 wird bemängelt, Deutschland lebe noch im vergangenen Industriezeitalter und konzentriere sich auf die Probleme der klassischen Industrien Maschinenbau, Auto, Elektrotechnik und Chemie. Gefordert sei jedoch die Entwicklung zur Informationsgesellschaft mit den neuen Technologien Informationstechnik, Biotechnik, neue Werkstoffe, neue Energien, Luft- und Raumfahrt (vgl. "Die Zeit" vom 12. 11. 93, Seite 34). In einer Studie für das BMFT werden als neue Technologien zusätzlich genannt: Nanotechnologie, Mikroelektronik, Photonik, Mikrosystemtechnik, Molekularelektronik, Produktions- und Managementtechnik (bdw 11/93, Seite 28).
(149) Das abschreckendste Beispiel dieser auf Wahlstimmen fixierten Berufspolitiker war der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Barschel, der nach Aufdeckung seiner Machenschaften und seines gebrochenen Ehrenwortes 1987 keine Alternative zum Job eines Ministerpräsidenten sah und Selbstmord beging. Kritik ist aber auch an seinem Nachfolger und späteren Parteivorsitzenden der SPD Engholm zu üben, der vor einem Untersuchungsausschuß wegen der banalen Frage nach dem Zeitpunkt seiner Erkenntnis die Unwahrheit sagte, allerdings nach Aufdeckung in ehrlicher Weise von seinen Ämtern zurücktrat. Hingegen ließ Helmut Kohl seine Falschaussage vor einem Mainzer Untersuchungsausschuß lediglich durch den CDU-Generalsekretär Geißler damit entschuldigen, er habe einen "black out" gehabt. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat das Ermittlungsverfahren gegen Kohl denn auch lediglich aus subjektiven Gründen eingestellt, vgl. Abdruck des Einstellungsbeschlusses in der SZ vom 22. 5. 86.
Nachfolger Engholms übrigens wurde Scharping, nachdem sämtliche SPD-Mitglieder über die Kandidaten für den Vorsitz (Scharping, Schröder, Wieczorek-Zeul) abgestimmt hatten. Im OV Medebach haben sich 80% der Mitglieder beteiligt und mit Mehrheit für Gerhard Schröder gestimmt, A-II.
(150) Vgl. dazu Anmerkung 46. Der Belege gibt es viele. Dem amerikanischen Präsidenten Reagan trotzte er den Besuch des Soldatenfriedhofs in Bitburg mit Gräbern von SS-Angehörigen ab. Ernst Jünger gratulierte er 1985 persönlich zu dessen 90. Geburtstag, einem Schriftsteller, der in der Weimarer Republik zur demokratiefeindlichen Literatengruppe des "Soldatischen Nationalismus" zählte und in vielen seiner Bücher den Krieg jenseits aller Humanität als inhaltsloses Ziel an sich, als Krieg um des Krieges willen propagierte (vgl. Wette in Ursachen, Seiten 51 ff., und Krockow, Die Deutschen, Seite 158). Die Schlesische Landsmannschaft, deren Mitglieder ihn in der Mehrzahl ohnehin nicht wählen, weil sie ihm Verrat an der Heimat vorwerfen, unterstützte er und riskierte den Bruch mit Polen. Weder in Mölln noch in Solingen beteiligte er sich an den Trauerfeiern für die von Rechtsradikalen ermordeten Menschen, weil er, wie er am 7. 6. 93 im Fernsehen (SAT 1) erklärte, "sich nicht den Pfiffen türkischer oder deutscher Gruppen aussetzen wollte". Nicht umsonst fällt in seine Regierungszeit der bekannte "Historikerstreit" von 1986 (vgl. die Dokumentation), der durch die These Ernst Noltes ausgelöst wurde, der Nationalsozialismus sei auch eine Antwort auf die Verbrechen Stalins und keineswegs eine singuläre Erscheinung. Wer einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen und wieder "erhobenen Hauptes" einhergehen wollte, fand hierin treffliche "wissenschaftliche" Bestätigung. Auch Kohl, dessen historische Dissertation seit seinem Amtsantritt nicht mehr verfügbar ist, dürfte den Thesen Noltes und Stürmers nicht fernstehen.
Die zynische Ablehnung einer Einigung Europas durch den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber in seinem der SZ gegebenen Interview (SZ vom 2. 11. 93, Seite 14: "Wir streben keinen europäischen Bundesstaat mehr an" und auf die Frage, ob dies ein historischer Bruch in der Union seit Konrad Adenauer sei: "Das ist richtig. Diesen Bruch vollzieht die Union jetzt insgesamt") dürfte wohl auch dem Stimmenfang im rechten Lager angesichts der Wahlen des Jahres 1994 gedient haben. Solche Äußerungen eines deutschen Ministerpräsidenten, die der Anbiederung an die Rechtsradikalen dienen sollen, deuten auf besondere Bedenkenlosigkeit und rückwärts gewandtes Nationalverständnis, soweit man nicht Stoiber selbst nationalistische Anwandlungen unterstellt.
(151) Vgl. die Rede Weizsäckers zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, gehalten am 8. 5. 1985 bei einer Gedenkfeier im Deutschen Bundestag (siehe dtv Nr. 10639), in der er die konservative Geschichtsauffassung Kohls deutlich zurechtrückte.
(152) An Blauhelmaktionen haben sich Amerikaner, Engländer und Franzosen bisher grundsätzlich nicht beteiligt. Die USA sind auch nicht bereit - und auf Grund ihres Verfassungsrechts auch daran gehindert -, amerikanische Soldaten unter UNO- Oberbefehl zu stellen. Sie haben daher Soldaten ausschließlich unter eigenem Befehl auf Wunsch der UNO eingesetzt, z. B. in Korea, im Irak, in Somalia.
(153) Rede vom 2.12.93 im Hamburger Rathaus, Abdruck in der "Zeit" vom 10.12.93. Nach den der regierungsamtlichen Politik widersprechenden Äußerungen Stoibers (Interview in der SZ vom 2. 11. 93, Seite 14) sollen unsere europäischen Partner erkennen, daß deutsche Europapolitik entgegen bisheriger Aussagen nur als Vehikel deutscher Wiedervereinigungsbestrebungen dienen sollte. Stoiber bestätigt damit das Mißtrauen gegenüber der Verläßlichkeit deutscher Politik, das Frau Thatcher öffentlich gemacht hat. Statt auf europäische Einigung sollte allerdings Deutschland auf Politiker wie Stoiber verzichten, um einen Beitrag zum Abbau der Politikverdrossenheit zu leisten.
(154) BVerfG 2 BvR 1953 + 2451/93 zur Asylfrage. Es scheint, daß das Bundesverfassungsgericht die praktisch erfolgte Abschaffung des Asylgrundrechts wegen Verstoßes gegen das übergeordnete Grundrecht auf Schutz der Menschenwürde nicht billigen wird. Die Beseitigung des Mißbrauchs des Asylgrundrechts hätte übrigens auch mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgen können. Hierzu hat der Ortsverein der SPD Medebach mit Beschluß vom 25.10.1992 einen Antrag an den Bundesparteitag vom November 92 gestellt, der leider von der Antragskommission - wie die meisten anderen Anträge auch - lapidar beiseite geschoben wurde. Ausnahmsweise hatte die SPD aber einmal in einer solchen Frage im Rat Erfolg. Die CDU wie die FDP schlossen sich der von der SPD vorgelegten Alternativresolution zu der der CDU über die Neuregelung des Asylrechts an, StV 11.10.91.
(155) Eine rechtliche Verpflichtung für die UNO-Mitgliedsstaaten, für friedenssichernde (Blauhelm-) oder gar friedensschaffende Maßnahmen Soldaten zu stellen, gibt es nicht. Noch 1990 konnte man sich kaum vorstellen, daß Soldaten der Bundeswehr jemals außerhalb der NATO, daß sie überhaupt eingesetzt werden könnten, Krockow, Die Deutschen, Seite 323.
(156) Das Gesamtaufkommen an Steuern und Sozialversicherung betrug 1992 1,189 Billionen DM. Dazu trugen die Sozialabgaben mit 38,7% bei, die Lohnsteuer mit 20,8%, beide zusammen also mit 59,5%. Die veranlagte Einkommensteuer machte hingegen nur 3,5% aus. Vgl. "Die Zeit" Nr. 34/93 vom 20.8.93, Seite 3. Das zeigt sehr deutlich, in welchem Umfang die Arbeitnehmer im Vergleich zu den Unternehmern und Selbständigen belastet werden.
(157) So etwa bei der Zustimmung der SPD-geführten Landesregierung von Brandenburg zur Mehrwertsteuererhöhung ab 1. 1. 1993. Inkonsequent auch Scharpings Äußerungen zu Tempolimit und Mineralölsteuer, "Zeit" vom 25.3.94 Seite 19.
(158) Längere Lebensarbeitszeit bedeutet weniger verfügbare Arbeitsplätze. Auch die Rentenversicherung läßt sich so nicht sanieren. Das wäre nur bei Vollbeschäftigung möglich.
(159) Thomas Hanke in "Die Zeit" vom 15. 10. 93, Seite 25.
(160) Antrag des Parteivorstandes der SPD vom 11. 10. 93 zur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzpolitik an den SPD-Bundesparteitag vom 16. - 19. 11. 93 in Wiesbaden und dessen Beschlüsse, "intern" Nr. 16 vom 15. 10. 93 bzw. "Vorwärts" Nr. 12/93, Seiten 16 ff. Die Beschlüsse sehen den ökologischen Umbau durch steuerliche Anreize vor und beziehen sich auf Ergebnisse der Wirtschaftsinstitute, wonach anfängliche Belastungen der Industrie durch Umweltschutzauflagen bzw. -abgaben die Grundlage späterer Wettbewerbsvorteile seien. Trotz vergleichsweise hoher derartiger Auflagen erreiche Deutschland große Weltmarktanteile bei Produkten, die mit solchen Abgaben belastet seien. Dies ist ein deutlicher Hinweis, daß Umweltschutz im Gegensatz zu den Auffassungen der Industrie und der konservativ-liberalen Koalition Wachstum und Arbeitsplätze gerade nicht kostet, sondern fördert.
(161) Die wesentlichste Frage aller Industriegesellschaften, wie trotz rationalisierter Fertigungsmethoden bei geringer werdendem Einsatz menschlicher Arbeitskraft dennoch annähernd Vollbeschäftigung erreicht werden könnte, ist bisher unbeantwortet geblieben. Arbeitsfähige Menschen wollen arbeiten, die bloße Existenzsicherung durch Arbeits-losenunterstützung oder Sozialhilfe vermag den Arbeitsplatzlosen keine zufriedenstellende Lebensperspektive zu bieten. Hier beginnt die Unzufriedenheit "mit denen da oben" und erwächst die Gefahr einer Erschütterung der ganzen Gesellschaft. Wenn marktwirtschaftliche Organisation oder Verkürzung der Arbeitszeit dieses Problem zu lösen nicht geeignet sind, müssen andere Wege gefunden werden. Der Ansatz, Arbeitsplätze durch ökologischen Umbau zu schaffen, finanziert aus dem allgemeinen Steueraufkommen, ist richtig, dürfte aber wohl kaum ausreichen. Die Ausgleichsfunktion eines modernen Industriestaates, der das soziale Netz der Großfamilien agrarisch organisierter Gesellschaften verloren hat (vgl. M. Gruter, Seiten 145 ff), verpflichtet zur Suche und Fortentwicklung solcher Ansatzpunkte, die vermutlich, wie im Umwelt- und Sozialbereich, vornehmlich Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich schaffen werden. Dabei muß allerdings der Gefahr einer Bürokratisierung vorgebeugt werden. So betrachtet, erscheint der Rückgriff auf ideologische Positionen der alles heilenden Marktkräfte oder der reglementierten Arbeitszeiten als die untaugliche "Lösung von gestern". Die von Kohl propagierte Verlängerung der Lebensarbeitszeit stellt hingegen nicht einmal eine "Lösung von gestern" sondern statt dessen eine Verschärfung des Problems dar.
(162) Nach der Methode "haltet den Dieb" macht die Koalition aber in Fragen innerer Sicherheit die für die Polizei zuständigen - meist sozialdemokratisch regierten - Länder verantwortlich. Die Koalition schafft hier wie auf anderen Gebieten (z. B. soziale Sicherheit) die Probleme und wälzt die Lösung auf andere ab. Vgl. dazu Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 21.10.93 in MDR Heft 12/93.
(163) Schreiben des Stadtdirektors vom 17. 9. 84 (Akten B III) an den SPD-Ortsverein, das er in Kopie an sämtliche Ratsmitglieder sandte. Dort war die Rede von "feige" und "zynisch" und "wissentlicher Lüge". Der am 15. 10. 84 erfolgte Versuch, das Gespräch mit Herrn Nolte auf eine sachliche Basis zurückzuführen, war leider auf Dauer nicht erfolgreich, siehe Anmerkung 166.
(164) Hiemer, der sich über das ständige Eingreifen Noltes in die Beratungen des Rates zur Durchsetzung seines Standpunktes ärgerte, forderte den Stadtdirektor schließlich auf, "er solle nicht ständig als 29. Ratsmitglied mitdiskuttieren" (gemeint war: als "28."), StV 15.12.89 und Schreiben Noltes an Hiemer vom 18.12.89. Der Antrag der SPD-Fraktion, die Stelle des Stadtdirektors, dessen Wahlzeit im Frühjahr 1990 ablief, neu auszuschreiben, wurde von der CDU abgelehnt.
(165) Drucksache Nr. 872 vom 25.7.83 zur Sitzung der Stadtvertretung am 12.8.83. Dort vertrat der Stadtdirektor entgegen der Bauaufsichtsbehörde die Meinung, dieses aus religiösen Gründen von Buddhisten geplante Bauwerk sei nicht genehmigungsfähig. Im übrigen hätten "sämtliche rein religiös bestimmte(n) Gesichtspunkte außer Betracht zu bleiben". Die Hinweise des SPD-Ratsmitgliedes (und Volljuristen) Habel auf das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung veranlaßten ihn später immerhin, von seiner ursprüngliche Aussage abzurücken. Siehe dazu die Berichte und Leserbriefe in der WP vom 18., 22., 23., 25., 30. 8., 8. 9. und 7. 10. 83 sowie in der "Zeit" vom 21. 10. 83.
(166) Vgl. Anm. 120. Ausgangspunkt war eine Dienstaufsichtsbeschwerde des SPD-Ortsvereins vom 21.11.87 gegen Nolte gewesen, in der sie monierte, daß er eine persönliche Rechtfertigung, verbunden mit Vorwürfen wegen Feigheit und Unwahrheit, als "Information der Stadtverwaltung Medebach" auf Kosten der Stadt an alle Medebacher Haushaltungen hatte verteilen lassen (Drucksachen 10/2682, 2738, 2894 und 2898 des Landtags NRW). Mit ihrer Mehrheit lehnte die CDU den Antrag der SPD ab, die Stadt solle es ablehnen, die Kosten dieses privaten Feldzuges von Nolte tragen, StV 20.11.87. Zu Recht wurde diese Angelegenheit im Medebacher Rosenmontagszug vom 15. 2. 88 durch einen Wagen karikiert.
(167) Herr Nolte hatte die Brisanz des Themas nicht erkannt und die zugegebenermaßen bösartige Falle übersehen. Ernsthaft war er auf die Möglichkeit eingegangen, Aidskranke in einem außerhalb Medebachs zu errichtenden Heim/Lager zu "internieren" und von der übrigen Bevölkerung abzuschotten. Seine Bedenken lagen auf eher bürokratischer Ebene: ob etwa die Abwässer gefahrlos in die Kanalisation eingeleitet werden könnten. Noltes Versuche, gerichtlich gegen die verantwortlichen Journalisten vorzugehen, hatten nur teilweise Erfolg. Die Kosten für die Prozesse wurden von der Stadt getragen und lagen bei knapp 40.000,- DM, vgl. rotdorn Nr. 25 vom September 1989 und StV 8.9.89.
(168) StV 5.1.90.
(169) rotdorn Nr. 20 vom Januar 88: "Umgangston".
(170) So u. a. im Fall Weeke 1984, Akten B-III. Zwar erhielt der Stadtdirektor Unterstützung durch die Kreisverwaltung, die Rechtsauskunft der SGK stand dem jedoch diametral entgegen.
(171) StV 17.1.85. Das hatte zur Folge, daß in der Kreisverwaltung Vermerke gefertigt wurden, wenn ein Medebacher Stadtvertreter dort vorgesprochen hatte. Die besseren Beziehungen der SPD zur Bezirksregierung stellten für Nolte ein stetes Ärgernis dar. Besonders übel nahm er, daß Kralemann den stellvertretenden Stadtdirektor Soboll gefragt hatte, ob er bereit sei, nach dem Ausscheiden Schlechters das Amt eines Kämmerers zu übernehmen, StV 17. 12. 87. Ein Kämmerer hätte gegenüber dem Stadtdirektor eine stärkere Stellung aus eigenem Recht gehabt.
(172) Vor der Wahl 1989 hat ein CDU-Ratskandidat Ärger mit dem Stadtdirektor bekommen. Er zog seine Kandidatur zurück, rotdorn Nr. 25 vom September 89. Der an seine Stelle getretene Kandidat der CDU, Schröder, wurde in der Direktwahl von Reinold geschlagen.
(173) StV 12.11.93 und Drucksache 1370 vom 4.10.93. Es ging um den Ersatz eines im Bebauungsplan vorgesehenen Lärmschutzwalles durch eine Lärmschutzwand. In einem anderen Fall, ebenfalls 1993, hatte der Architekt namens des Bauherrn einen rechtsfehlerhaften Beitragsbescheid mit dem Vermerk "Widerspruch" an die Verwaltung zurückgegeben. Herr Nolte schrieb ihm einen Brief, er schade mit der Beratung des Bauherrn den Interessen der Stadt. Die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides erscheint nach dem Brief als Nebensache.
(174) Drucksachen 1167, 1346 und StV 19. 4. 93 sowie rotdorn Nr. 28 vom Januar 1993. Abrundungssatzungen sind eine Art vereinfachter Bebauungspläne zur Einbeziehung am Rande schon bebauter Gebiete liegender Grundstücke als Bauland. Die SPD hatte nach Absprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter bei der Regierungspräsidentin den Antrag gestellt, solche Satzungen zu beschließen. Nolte schlug vor, die betroffenen Grundstückseigentümer sollten sich schriftlich verpflichten, innerhalb kurzer Frist selbst zu bauen oder die Grundstücke der Stadt zu verkaufen. Andernfalls sollten ihre Grundstücke nicht in die Satzung aufgenommen werden. Ein solches Verfahren mußte das Ziel einer "Abrundung" natürlich verfehlen. Die von der CDU getragenen Vorgaben Noltes führten zu einer Verzögerung des Erlasses der Satzungen von mehr als einem halben Jahr. Mittlerweile bei der Regierung eingetretene personelle Veränderungen ließen eine Verwirklichung aller Satzungen zunächst nicht zu. Die SPD-Vertreter stimmten nur zu, weil sonst eine Ablehnung durch die CDU zu befürchten war. Ähnlich auch der Fall des Erlasses einer Gestaltungssatzung, um ein "Nurdachhaus" zu verhindern, StV 29.11.89 und 5.1.90 sowie Drucksache 105 vom 3.1.90.
(175) rotdorn Nr. 13 vom 6. 9. 84.
(176) StV 20. 11. 87.
(177) rotdorn Nr. 13 vom 6. 9. 84. Das Verfahren, zunächst Bauland zu schaffen und danach erst zu kaufen, mußte vorhersehbar zu höheren Grundstückspreisen führen.
(178) Ein neuer Bebauungsplan mit Erschließung neuen Baulandes, der seit 1982, also innerhalb der letzten 12 Jahre, in Angriff genommen und zu Ende geführt worden wäre, ist (außer hinter dem Rathaus) weder in der Kernstadt noch auf den Ortschaften erkennbar. "Trift" und "Ringelfeldweg" sind auf Eis gelegt worden. Beim Ferienpark handelt es sich um einen anderen Fall, der Bauwilligen kein Gelände zur Verfügung stellt. Im übrigen sind Bebauungspläne lediglich fortgeführt bzw. verändert worden.
(179) rotdorn Nr. 15 vom April 1985. Als nach und nach einige Bauten entstanden waren, wies die SPD-Fraktion darauf hin, ein Bebauungsplan sei hier nötig. Erst nach entsprechender Forderung des Regierungspräsidenten akzeptierten Verwaltung und Ratsmehrheit diesen Hinweis.
(180) rotdorn Nr. 26 vom Mai 90.
(181) rotdorn Nr. 15 vom April 85.
(182) rotdorn Nr. 21 vom Juni 88, Drucksache 1471 vom 18.3.88, Akten A VI.
(183) Vgl. zu den Auseinandersetzungen die Drucksache 1846 vom 5. 5. 89 sowie StV 12. 5. 89 und die Berichte in rotdorn Nr. 23 und 25 vom Juni und September 89. Auch die CDU-Landtagsfraktion mochte dem von Nolte favorisierten Bau einer neuen Trasse nicht folgen. Der damalige CDU-Abgeordnete Watzke setzte sich entgegen seinem früheren Versprechen nicht für diese Alternative ein (rotdorn Nr. 25).
(184) Die Wiedereinrichtung des Feuerwehrausschusses lehnte die CDU gegen das Votum von SPD und FDP auch 1989 ab, StV 18. 10. 89.
(185) Der Artikel "...gelinkt" im rotdorn Nr. 19 vom November 87, in dem die Vorgänge um die Aufhebung der Ausschüsse kritisiert worden waren, führte zur schwersten Auseinandersetzung im Rat mit den schon erwähnten Landtagsanfragen, vgl. auch StV vom 4. 9. und 20. 11. 89. In einer Sonderratssitzung vom 30. 12. 87 (Wortprotokoll in der Drucksache 1400) glaubte sich die SPD-Fraktion durch den Beitrag des CDU-Fraktionsvorsitzenden Werner Schmiedeler in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Da die CDU zudem eine Debatte über ihre vorgetragenen Angriffe nicht zulassen wollte, verließ die SPD-Fraktion unter Protest den Sitzungssaal. Der rotdorn weigerte sich, zu dem Artikel "Stadtdirektor: ..." im rotdorn Nr. 20 vom Januar 88 eine Gegendarstellung Schmiedelers zu bringen, einigte sich im Rechtsstreit vor dem Landgericht Arnsberg dann aber auf einen Vergleich, nachdem Schmiedeler erklärt hatte, er habe die SPD nicht in die Nähe der Nationalsozialisten gerückt, siehe rotdorn Nr. 21 vom Juni 88.
(186) rotdorn Nr. 27 vom Dezember 91.
(187) Das war im November 1990. Wie schon erwähnt, hatte Jürgen Reinold 1984 den ersten Interessenten und damit die Idee zu einem Ferienpark nach Medebach gebracht, rotdorn Nr. 12 vom Dezember 85, StV 3. 4. 85. Nach dem Beschluß des Bezirksplanungsrates vom 2. 6. 89 bemühte sich Reinold um Unterstützung für den Ferienpark in einem Gespräch mit Wirtschaftsminister Jochimsen, rotdorn Nr. 25 vom September 89. Bedauerlich, daß der Stadtdirektor dieses Vorhaben sozusagen als sein Kind adoptierte, vielleicht deswegen die Zeit zur Arbeit an anderen Bebauungsplänen nicht fand ("Trift", "Ringelfeld"), die vom Rat eingesetzte Kommission, wie die SPD bemängelte (StV 12. 5. 89), nicht ausreichend informierte (Nolte fragte verärgert, was denn die einzelnen Ratsmitglieder für die Verwirklichung des Ferienparks getan hätten) und die tatsächlichen Aktivitäten besonders von SPD-Mitgliedern scharf kritsierte. So beschwerte er sich darüber, daß Reinold, Hiemer und Habel mit dem Korbacher Landrat Dr. Bökemeier am 29. 11. 89 ein Gespräch über die Möglichkeiten einer zusätzlichen Wasserversorgung geführt hatten, Drucksache 99 vom 20.12.89 und zwei Schreiben Noltes vom 19.12.89 an den Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg, Dr. Bökemeier, und an Hiemer.
(188) rotdorn Nr. 17 und 19 vom Juli 86 bzw. November 87.
(189) rotdorn Nr. 22 und 27 vom Januar 89 bzw. Dezember 91.
(190) StV 19.12.86 und rotdorn Nr. 18 vom Dezember 86.
(191) rotdorn Nr. 8 vom März 81. Die Medebacher CDU war für den Kreishausneubau eingetreten. Die SPD vermutete auch, daß ihr Antrag, zur Substanzerhaltung der Schützenhallen jährlich 15.000,- DM im Haushalt bereitzustellen, der Finanzierung des "Thronsaales" zum Opfer fiel, rotdorn Nr. 25 vom September 89.
(192) StV 28.2.86 und 27.10.89, rotdorn Nr. 17 und 26 vom Juli 86 bzw. Mai 90.
(193) rotdorn Nr. 13 und 14 vom September und Dezember 84.
(194) StV 16.8.85 und rotdorn Nr. 16 vom Dezember 85. Vor der Kommunalwahl 84 hatte die SPD bereits kritisiert, das Aufstellen von Glascontainern allein erledige die Probleme des Umweltschutzes nicht, rotdorn Nr. 13 vom 6.9.84.
(195) StV 21.3.86 und rotdorn Nr. 17 vom Juli 86.
(196) Ebenfalls StV 21.3.86 und rotdorn Nr. 17 vom Juli 86.
(197) rotdorn Nr. 16 vom Dezember 85.
(198) StV 20.2.87. Den Haushalt 1986 hatte die SPD-Fraktion abgelehnt, weil zwar die Grundsteuer B für Wohnhausbauten um 30 auf 260 Punkte angehoben wurde, nicht jedoch im Zuge der Gleichbehandlung die Grundsteuer A für landwirtschaftliche Grundstücke. Die Grundsteuer B war mit 542.000,- DM veranschlagt, die Grundsteuer A dagegen mit nur 84.000,- DM.
(199) rotdorn Nr. 26 vom Mai 90: es handelte sich u. a. um 40,3 Mio. DM allgemeine Zuweisungen, 35,
Quellen
Archiv der Stadt Medebach:
Sitzungsniederschriften der Amtsvertretung des Amtes Medebach von 1946 - 1969
Sitzungsniederschriften der Stadtvertretung der Stadt Medebach von 1946 - 1993
Archiv des Ortsvereins der SPD Medebach, dort enthalten auch die Zeitung des Ortsvereins, der rotdorn.
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(aufgenommen sind nur im allgemeinen unschwer zugängliche Veröffentlichungen)
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